015.png

Die Wasserkraft ist umstritten. Der mit ihr einhergehende
Landschaftswandel hat – in der Vergangenheit wie auch heute – zu
öffentlichen Konflikten zwischen Unternehmen und Politikern auf der
einen und betroffenen Anrainern, Natur-, Heimat- und Umweltschützern auf
der anderen Seite gesorgt. Mein Dissertationsprojekt bietet eine
kulturhistorische Perspektive auf diese Auseinandersetzungen und nähert
sich ihnen anhand eines bisher kaum untersuchten Quellenkorpus: Dem
Industriefilm. Ich untersuche solche Filme aus den zwei zentralen
Wasserkraftregionen Europas – Skandinavien und dem Alpenraum, wo ich
Filme schwedischer, deutscher und französischer Unternehmen betrachte.

Um die Rolle zu ergründen, die die Industriefilme und auch die sehr viel
selteneren Protestfilme in der Öffentlichkeit und den Konflikten um die
Wasserkraftnutzung spielten, analysiere ich sie als Gebrauchsfilme. Ich
kombiniere hierfür das close reading der Filme mit einer breiten Analyse
ihrer historischen und diskursiven Kontexte und analysiere sie als Teil
einer umstrittenen visuellen Kultur der Wasserkraft, in der sich
einerseits Unternehmen mit Naturschützern um den ästhetischen und
moralischen Wert von Landschaften stritten (schließlich war ein
Hauptziel von Naturschützern die Bewahrung landschaftlicher Schönheit),
in der andererseits der Wahrheitsgehalt der Bilder selbst umkämpft war
und sich beide Seiten gegenseitig der Propaganda bezichtigten.

Im Fokus der Arbeit stehen die 1950er-Jahre. Dieses Jahrzehnt gilt nicht
nur als das „Goldene Zeitalter“ des Dokumentarfilms; zur gleichen Zeit
boomte auch in ganz Europa der Bau von Wasserkraftwerken und Staudämmen
und es entstand erstmals auch ein durchsetzungsfähiger Protest gegen
eben diese Bauvorhaben. Die von mir untersuchten Filme sind
gewissermaßen das Resultat dieser drei Entwicklungen. Als Teil
unternehmerischer bzw. naturschützerischer Kommunikationsstrategien
dokumentierten sie aber nicht nur menschengemachten Landschaftswandel,
sondern sie inszenierten ihn auch und stellen somit hervorragende
Quellen zur Analyse kultureller Imaginationen dar. Sie erlauben einen
Einblick in die zeitgenössische Wahrnehmung eines Jahrzehnts, das von
rasant wachsendem Energieverbrauch und tiefgreifenden Veränderungen im
Mensch-Natur-Verhältnis geprägt war – der sogenannten Großen
Beschleunigung (Will Steffen).

In den Filmen spiegelt sich aber nicht nur das Fortschrittsversprechen
der Moderne, sondern auch dessen allmählich einsetzende Enttäuschung und
Neuformulierung. Die hydroelektrischen Projektionen sind somit ein
Brennglas, in dem die Ambivalenz der Moderne sichtbar wird.


Kurzbiographie

Fabian Zimmer ist Historiker. Er promoviert seit 2017 am Rachel Carson
Center und am Deutschen Museum in München. Sein Interessenschwerpunkt
liegt auf der Kulturgeschichte der Moderne in Europa, die er auf den
Gebieten der Technik- und Umweltgeschichte, und der Medizin- und
Wissenschaftsgeschichte erforscht. Fabian Zimmer hat Geschichte und
Germanistik in Heidelberg und Lund studiert. Sein Studium schloss er
2016 an der Universität Heidelberg mit einer Masterarbeit über Narrative
der Wasserkraft in Schweden 1900–1920 ab, für die er 2017 den
Nachwuchspreis der Georg-Agricola-Gesellschaft für Technikgeschichte und
Industriekultur erhielt. Von 2012 bis 2017 war er am Institut für
Geschichte und Ethik der Medizin der Universität Heidelberg in zwei
verschiedenen Forschungsprojekten tätig: einem deutsch-französischen
Projekt zu medizinischen und industriellen Gebrauchsfilmen in der
Oberrheinregion und einem Projekt über die Implementierung der
Pränataldiagnostik in Westdeutschland nach 1949. In seinem
Promotionsprojekt führt er seine Erkundungen auf dem Gebiet der
Kulturgeschichte der Wasserkraft im 20. Jahrhundert fort. Seine Arbeit
wird von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert.



--
Fabian Zimmer, M.A.
Doctoral Candidate
Rachel Carson Center for Environment and Society / LMU Munich
Leopoldstr. 11a
80802 Munich
Germany

Promotionsprojekte

Neue Projekte nimmt der Webmaster jederzeit gerne entgegen: