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Spiel-Figur(ation)en – Die Ko-Konstruktion von „gender“ in technischem Spielzeug und dem kindlichen Körper 

Körper haben ein Geschlecht. Größe und Form, Farbe und Material, symbolisch aufgeladene Strukturen ermöglichen es, sie als männlich oder weiblich zu identifizieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Körper belebt oder unbelebt sind. Menschen und Dingen wurden in gesellschaftlichen Diskursen gleichermaßen veränderliche geschlechtliche Merkmale zugewiesen, diese in die Sprache des Körpers transkribiert und dort schließlich wieder materialisiert.

Diese Prozesse der „Vergeschlechtlichung“ von Körpern sollen im Dissertationsprojekt „Spiel-Figur(ation)en“ am Beispiel von technischem Spielzeug und seinen kindlichen Nutzern im Zeitraum zwischen 1880 und 1930 untersucht werden. In diesen Jahren intensivierten sich die sozialen Verhandlungen über die Definition und Bedeutung von „Geschlecht“, die mit der Industrialisierung und dem Entstehen der Bürgergesellschaft begonnen hatten. Die biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau wurden weiter herausgearbeitet und durch die Vorstellung von „polarisierten Geschlechtscharakteren“ – spezifischer psychischer Merkmale – ergänzt und verfestigt.

Die die Neuere Geschichte kennzeichnende dichotome, gegeneinander abgeschlossene Kategorisierung des Männlichen und Weiblichen ließ sich durch die kindliche Sozialisation beständig reproduzieren. Jungen und Mädchen wurden über eine bewusste geschlechtsspezifische Erziehung auf rollenkonformes Verhalten vorbereitet, gleichzeitig inkorporierten sie die dualistisch strukturierte Gesellschaft sinnlich und damit unbewusst. Spielzeug wirkte als Mediator auf beiden Ebenen. Als objektivierter pädagogischer Diskurs prägte es geschlechtsspezifische Eigenschaften und Verhaltensweisen über Spielanleitungen und die bildliche Darstellung des Spielkontextes in Verpackung und Werbung. Als zeichenhaftes Objekt, das – wie alle Bereiche und Symbole der modernen Gesellschaft – selbst vergeschlechtlicht worden war, übertrug es seine geschlechtsspezifischen Merkmale im Spiel auf und in den kindlichen Körper. Umgekehrt determinierte das Geschlecht eines Kindes das Design und die Nutzungsmöglichkeiten der ihm zugedachten Objekte. Diese mussten zwar auch innovativ sein um einen „Verkaufsschlager“ zu kreieren, gleichwohl nur innerhalb der sozial konstruierten Grenzen der Geschlechtsidentitäten. Ansonsten stand zu befürchten, dass nicht nur die potenziellen Nutzer nichts mit ihrem Spielzeug anzufangen wussten, sondern auch die Eltern und Erzieher – die Käufer – es als unpassend für einen Jungen bzw. ein Mädchen ablehnen würden.  

Im „Spiel mit Technik“ lässt sich die zeitliche Entfaltung und Ausdifferenzierung der „genderscripts“ sowie die reziproke geschlechtliche Formung von Körpern besonders anschaulich nachvollziehen, weil im Zuge der rasanten technischen Entwicklung die Geschlechtsidentitäten ebenso rasch neu verhandelt werden mussten. Mit zunehmender Bedeutung moderner (industrieller) Technologien wurde auch ihre Bedienung, Beherrschung, vor allem aber ihre Entwicklung zum gesellschaftlichen Machtfaktor. Der Zugang zur Macht wurde im Sinne der patriarchalisch organisierten, bürgerlichen Gesellschaft über die Inskription maskuliner Zeichen in die öffentlich sichtbaren Symbole der Technik geregelt. Frauen partizipierten an modernen technischen Innovationen vor allem als Nutzerinnen, teilweise noch in den mechanischen Prozessen der Produktion. Die speziell für ihre Wirkungssphäre – das Haus – entworfene Technik, setzte sich über feminines Design und eine reduzierte, einfach zu handhabende Funktionsweise deutlich von den prestigeträchtigen, maskulinen Technologien ab.

Anika Schleinzer, M.A

RWTH Aachen
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Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte
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