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Autonomie und Unheimlichkeit.

Gemeinsamer Call for Papers des Jahrbuchs Technikphilosophie und der Zeitschrift Technikgeschichte

 

Die Zeitschrift Technikgeschichte plant für 2020 zum zweiten Mal ein Themenheft in Kooperation mit dem Jahrbuch Technikphilosophie (jtphil.nomos.de). Diesmal wird das Thema „Autonomie und Unheimlichkeit“ behandelt. Zu diesem Themenfeld sollen im Heft 1/2020 der Zeitschrift Technikgeschichte parallel zum Jahrbuch Technikphilosophie 2020 (http://jtphil.de/?p=638) Beiträge zum Schwerpunktthema erscheinen. Somit wird das Thema „Autonomie und Unheimlichkeit“ zeitlich korrespondierend sowohl aus philosophischer als auch aus historischer Perspektive betrachtet werden.

Die Autonomie der Technik ist ein Topos, der aus technikhistorischer Perspektive vermutlich zuerst Assoziationen an die Kulturkritik der 1950er Jahre weckt. Nicht zuletzt Jacques Elluls Publikation La technique ou l'enjeu du siècle (1954) steht für den zeitgenössischen kritischen Diskurs zu einer sich verselbstständigenden Technik, die unabhängig von menschlicher Gestaltung und Kontrolle – und damit auch unheimlich – geworden sei. Innerhalb der Technikgeschichte galt diese Denkweise mit sozialkonstruktivistischen Ansätzen der Technikforschung als überwunden. Technik wurde gestaltet, sie war gerade nicht autonom, so der Duktus.

 

Die Autonomie oder Verselbstständigung der Technik stellt jedoch heute im Kontext von autonomen Systemen wieder ein viel diskutiertes Phänomen dar, denn Technik wurde in jüngster Zeit zweifellos in ganz neuer Dimension „autonom“ (z.B. Robotik, Drohnen, autonome Fahrzeuge). Der Autonomiebegriff wird so in ganz anderer Weise diskutiert und dabei wird auch das Unheimliche thematisiert. Digitalisierung, Robotik und KI-Forschung ermöglichen autonome Systeme, die auch als unheimlich wahrgenommen wurden und werden – entsprechende Abstufungen versucht z.B. das bereits 1970 durch den Robotiker Masahiro Mori geprägte Konzept des „uncanny valley“ fassbar zu machen.

 

Die Frage der Autonomie oder Selbstständigkeit der Technik und das Gefühl der Unheimlichkeit, oder weiter gefasst eines Unbehagens, sind historisch jedoch weitaus älter. Der Golem war auch ein unheimlicher Diener; in E.T.A. Hoffmanns Romanen changieren die Automaten zwischen Faszination und Unheimlichkeit. War der „Schachtürke“ nicht auch unheimlich? Und vermittelte nicht auch das schiere Betrachten repetitiver mechanischer Bewegungsabläufe (Dampfmaschinen, Fließbänder) weit vor den Zeiten aktueller „autonomer“ Technologien ähnliche Eindrücke?

 

Das Themenheft lädt dazu ein, Aufsätze zu diesem Begriffspaar einzureichen. Erwünscht sind allerdings nicht nur Beiträge, die das Gruseln, Fürchten, den Schrecken und das Unheimliche von (autonomer) Technik untersuchen. Zu denken ist beispielsweise auch an das Bestreben, das Unheimliche und Unberechenbare gerade mittels Technik einzuhegen, zu beherrschen, zu normieren oder gar zu automatisieren, seien es Naturphänomene, Soziales oder wiederum Technik selbst. Welche Technologien wurden historisch überhaupt als unheimlich empfunden? Wurden beispielsweise Großtechnologien als unheimlich wahrgenommen, weil sie teils als unbeherrschbar galten? Was waren die Quellen von „Unheimlichkeit“ und in welchen Formen wurde sie (z.B. Literatur und Film, aber auch im Alltag) kommuniziert?

 

Aber auch magische Techniken wie das Wahrsagen, das Verhexen, die Geisterbeschwörung galten als unheimlich und bedrohlich. Moderne Technik wiederum sollte diese irrational-unheimlichen Mittel obsolet machen? Letzteres impliziert Fragen nach der Bedeutung von Rationalität und Kontrollierbarkeit in einer technischen Kultur und die Arten und Weisen, mittels derer sie durch Autonomie und durch Unheimliches sowohl in Frage gestellt oder unterlaufen als auch herzustellen versucht wurden. So lässt sich beispielsweise auch fragen, wie sich eine Kategorie wie Verantwortung im Zusammenspiel mit diesen Phänomenen verschiebt.

 

Der Zusammenhang von Autonomie und Unheimlichkeit verweist daher auf grundlegendere Fragen des Zusammenhangs von Technik und Moderne oder auch auf Technik und Postmoderne: Inwieweit markiert das Begriffspaar die Bedrohung der Vorstellung von Technik als Instrument zur Weltgestaltung und Kontrolle? Wann entstand die Zuschreibung der Unheimlichkeit zu Technik, die selbsttätig ist? Wann kippte jeweils die Wahrnehmung von niedlich, belustigend und unterhaltsam zu unheimlich? In welchen Formen wurde mit Autonomie und Unheimlichkeit gespielt?

 

Historische Beispiele aus allen Epochen oder longue durée-Perspektiven zu diesen Fragen sind willkommen.

Vorschläge in Form eines Abstracts (1 DIN A4 Seite) plus Kurz-CV (bitte in einer Datei!) für dieses Themenheft bitte bis zum 15. Januar 2019 an senden. Autor/innen, die zur Einreichung eines Beitrags aufgefordert werden, sollten die Manuskripte bis zum 1. September 2019 vorlegen. Das Heft wird Ende März 2020 erscheinen.


Nicole Hesse, M.A.

Schriftleitung TECHNIKGESCHICHTE

Universität Stuttgart

Historisches Institut/Abt. Wirkungsgeschichte der Technik

Keplerstraße 17

70147 Stuttgart

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