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Die Eigenart der technischen Theorie in den technikwissenschaftlichen

Vitaly Gorkhov und Galina Gorkhova

Den Ausgangspunkt der Entstehung einer klassischen technischen Theorie
bildet eine bereits hinreichend entwickelte "Basistheorie" in den
Naturwissenschaften, aus der die Mittel für die Lösung der
ingenieurtechnischen Aufgaben entnommen werden können. Aber im weiteren
Verlauf werden spezifische theoretische Mittel neu geschaffen, mit denen
die technische Theorie sich relativ selbstständig weiter entwickelt. Die
zweite Quelle für die Entstehung einer technischen Theorie bildet die
Ingenieurspraxis. Für die Naturwissenschaft sind alle
ingenieurtechnischen Resultate Nebenergebnisse. In der technischen
Wissenschaft sind sie hingegen organischer Bestandteil der Theorie
selbst. Die Spezifik einer technischen Theorie zeigt sich nicht so sehr
in der Nutzbarkeit ihrer Resultate für die Erklärung von Naturvorgängen,
sondern für das Konstruieren von Ingenieursobjekten. Zum Beispiel hat
der russische Wissenschaftler S. Khristianovich nach Forschungen über
die Bewegung des Grundwassers durch Sand und Splitt gezeigt, dass in
diesem Fall ein naturwissenschaftliches Gesetz, nämlich der Zusammenhang
zwischen dem Grundwassergefälle und der Filtergeschwindigkeit der
homogenen inkompressiblen Flüssigkeit, falsch sein kann, weil viele
wichtige Faktoren für die praktische Ingenieurtätigkeit nicht
berücksichtigt worden sind. Um dieses Problem zu lösen, führte er ein
neues Idealobjekt ein (Filtrationsröhrchen). Er konnte damit zeigen,
dass die Eigenart der technikwissenschaftlichen Disziplinen darin
besteht, dass die Ingenieurtätigkeit das wissenschaftliche Experiment
ergänzt bzw. häufig ersetzen kann.

(1) Dieses Abstract ist in Rahmen des RGNF-Projekts (05-03-03209a)
"Methodological foundations of the technology assessment as a new
complex problem-oriented and scientific-technological discipline"
vorbereitet worden.