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Kijan Malte Espahangizi

X-Tron - Elektroröhren und das Techno-Imaginäre der frühen Kommunikations- & Informationsgesellschaft

Anhand von Fotografien und Abbildungen von „Elektroröhren“ aus den 20er und 30er Jahren
soll die symbolisch-imaginative Dimension damaliger Wissenschafts- und Technikkommunikation beleuchtet werden. Dazu wird das Konzept des Techno-Imaginären als möglicher methodologischer Zugang zur Auseinandersetzung mit der Wechselwirkung zwischen Wissenschaft, Technik und Öffentlichkeit in der frühen Kommunikations- und Informationsgesellschaft vorgestellt.

Die Verwendung von Glasröhren für die Untersuchung elektrischer Phänomene lässt sich bis ins
17. Jahrhundert zurückverfolgen. Das frühe 20. Jahrhundert, insbesondere aber der erste Weltkrieg bedeutete eine qualitative Wende in der Ausbreitung von Elektroröhren. Die gesteigerte Nachfrage nach Funk- und Röntgentechnik ließ die industrielle Röhrenproduktion in den 20er Jahren in den 100 Millionen Bereich hochschnellen. (OKAMURA, S. History of Electron Tubes. Tokyo et al.: Ohmsha IOS Press. 1994: 64.) Um die massive gesellschaftliche Verbreitung der Elektroröhre angemessen verstehen zu können, muss ihre technische, wirtschaftliche und politische Bedeutung als Grundbaustein der elektronischen Massenmedien zusammengedacht werden mit ihrer Rolle als wirkmächtigem Zeichen im System kultureller Imaginationen. „Während sich technische Artefakte einerseits als Ausdruck kollektiver Phantasien (C. Castoriadis) begreifen lassen, nimmt die Imagination andererseits selbst technische Züge an (V. Flusser) und bedient sich technischer Medien“. (http://www.ifs.tu-darmstadt.de/fileadmin/gradkoll/Personen/HetzelA.html[28.12.2005]) Diese von Andreas Hetzel in seinem aktuellen Forschungsprojekt beschriebene Konvergenz von Technik, Medien und Imagination lässt sich auch im Fall des technischen Artefakts „Elektroröhre“ feststellen. Sie war sowohl Medium der Kommunikation als auch der Imagination - letzteres nicht erst seit der Entwicklung der Funk– und Radiotechnik. Ihre symbolisch-imaginative Dimension kann daher auch nur vor dem zeitgenössischen kulturellen Erwartungshorizont richtig erfasst werden. Dieser war in Zeiten rasant wachsender Mobilität auch von der Tradition neuzeitlicher Licht- und Fernwirkungsmetaphorik und magisch-elektrischen Praktiken des 18. und 19. Jahrhunderts geprägt und stand zudem unter dem unmittelbaren Bann der Glühbirne und der „unsichtbaren“ X-Strahlen. Die Auswahl an Röhrenabbildungen, -namen und -modellen, die hinsichtlich ihres symbolischimaginativen Mehrwerts befragt wird, ist vor allem technischen Fachpublikationen entnommen. Dieses Auswahlkriterium soll einer vorschnellen Einengung des Techno-Imaginären auf eine Strategie der Technik-Vermittlung an eine nichttechnikkundige Öffentlichkeit entgegenwirken und dieses stattdessen als kulturellen Raum präsentieren, in dem mögliche Mensch-Technik- Beziehungen diskursübergreifend verhandelt werden.