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Marinestreiks – Meuterei – Revolutionäre Erhebung 1917/18

Symposium veranstaltet vom Deutschen Marinemuseum Wilhelmshaven,
dem Deutschen Marineinstitut, der Otto-von-Bismarck-Stiftung
und dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt

Wilhelmshaven, 12. bis 14. Dezember 2007

Bericht von: Dr. Frank Nägler
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Unter dem Thema „Marinestreiks – Meuterei – Revolutionäre Erhebung 1917/18“ fand vom 12. bis 14. Dezember 2007 in Wilhelmshaven ein Symposium statt, das den Zusammenhang von Kaiserlicher Marine und Kriegsende mit den revolutionären Umbrüchen der Jahre 1917/18 in multiperspektivischer Betrachtung aufgriff. Veranstalter waren das Deutsche Marinemuseum Wilhelmshaven, das Deutsche Marineinstitut, die Otto-von-Bismarck-Stiftung und das Militärgeschichtliche Forschungsamt. Unterstützt wurden die Veranstalter durch den Freundeskreis Marineschule Mürwik e.V.

Eine Buchpräsentation bildete den Auftakt der Tagung. Mit der Vorstellung der deutschen Ausgabe „Douglas C. Peifer, Drei deutsche Marinen (2007, am. Originalausgabe 2002)“ wurde gleichzeitig in unterschiedliche Entwicklungslinien eingeführt, die sich an „Marinestreik, Meuterei und revolutionäre Erhebung“ anschlossen. Denn die von Peifer betrachteten Marineorganisationen Reichs- und Kriegsmarine, Bundesmarine und Volksmarine trafen sich alle mit charakteristisch verschobenen Verarbeitungen in einem für sie durchaus zentralen Bezug zu den Ereignissen von 1917/18.

Die Beiträge der ersten Sektion der Tagung beleuchteten zunächst das Kriegsgeschehen, das für die Kaiserliche Marine unerwartete Belastungen bereit hielt. Nach einem ereignisgeschichtlichen Überblick zum „Krieg zur See 1914-1917“ (Guntram Schulze-Wegener) wurde in dem Beitrag mit dem Titel Marineoffiziere“ (Nicolas Wolz) das Führungsverhalten der Militärelite an Bord analysiert. Von besonderem Gewinn war hier die Kontrastierung der Verhältnisse in der Hochseeflotte mit denen in der Grand Fleet: Während der Graben zwischen Schiffsführung und Mannschaften auf den Kerneinheiten der Hochseeflotte immer breiter wurde, verengte er sich tendenziell an Bord der britischen Schiffe. Der Blick auf die betroffenen deutschen Besatzungen – „Mannschaften: bereit zu sterben, aber auch bereit zum Streik“ (Michael Epkenhans) – hob die verschiedenen Ursachen hervor, die für den Vertrauensverlust zwischen Seeoffizieren und Mannschaften
verantwortlich waren. Der zwischen britischen und deutschen, aber auch kleineren und größeren Einheiten unterscheidende Blick legte, jenseits allgemeiner politischer Bestrebungen, Frontlinien offen, die von wesentlicher Bedeutung für die Entwicklung vom Marinestreik zum revolutionären Umbruch waren. Allerdings war mit der Konzentration auf die Führungsschwächen im Seeoffizierkorps der Kaiserlichen Marine noch keineswegs die ganze Geschichte zur Verbindung zwischen „Marinestreik, Meuterei und revolutionärer Erhebung“ erzählt.

Gerade der differenzierende Blick auf die lokalen Abläufe in Cuxhaven/Nordholz, in Wilhelmshaven und Kiel zeigte, dass in dem überaus komplexen Geschehen der Jahre 1917/18 es weit mehr als nur eine Frontbildung gab, die den Bedingungsrahmen für die Ereigniskette ausmachte. Mit einem Bericht über den letzten, von der Marineführung geplanten, aber politisch nicht gewollten Flottenvorstoß 1918 wurde in die zweite Sektion der Tagung eingeführt (Werner Rahn). Allein die Planungen boten die Initialzündung für die sich anschließenden Unruhen in Wilhelmshaven, letzthin in Kiel und dann für die sich weiter entwickelnden revolutionären Erhebungen. Mit lokalgeschichtlichen Betrachtungen zur „Marinerepublik Cuxhaven“ (Anja Dörfer), hinsichtlich der „Ereignisse in Wilhelmshaven“ (Stephan Huck) und zum „November 1918 in Kiel“ (Dieter
Hartwig) wurde das Gesamtbild verfeinert. Hier wurde deutlich, dass zu dem für das Geschehen konstitutiven Rahmen gewiss die Gegensätze zwischen Seeoffizieren und Besatzungen und der Unterschied zwischen den Verhältnissen an Bord der Großkampfschiffe und den kleinen Einheiten zählten, aber darüber hinaus auch der Gegensatz zwischen Berufssoldaten und Wehrpflichtigen, dann wieder der zwischen Soldaten und Zivilbevölkerung und schließlich auch die unterschiedliche Interessenlage bei Ortsansässigen und Zugereisten für die weiteren Ereignisse entscheidende Trennlinien bildeten. Der letzte Beitrag dieser Sektion von Hartwig bildete mit dem Untertitel „Ereignisse, Folgen, Reminiszenzen“ den Übergang zu der dritten Sektion, welche „Marinestreik, Meuterei und revolutionäre Erhebung“ als Teil der Erinnerungskultur untersuchte.

Hier setzte sich die Komplexität fort in einer Vielgestaltigkeit der Erinnerungskulturen, welche nicht nur unterschiedliche, sondern häufig gegensätzliche, dabei nicht selten hagiographische Deutungsangebote geliefert haben. Mit den Beiträgen „Die ‚Verarbeitung‘ der Revolution durch die Reichsmarine“ (Stefan Kiekel), „Vom Umgang mit den Ereignissen 1917/18 in der Bundesmarine“ (Jörg Hillmann) und „Matrosenaufstand und staatliche Identitätsbildung in der DDR“ (Gunnar Digutsch) gelang es, solche Deutungen in ihrem politisch-gesellschaftlichen Kontext zu entziffern, der geprägt war von den noch lange fortwirkenden Unversöhnlichkeiten eines ideologischen Zeitalters. Mit der Perspektive des Generalisten hatte zuvor Hans-Georg Thamer, außerhalb der Sektionsfolge, das hierfür einschlägige „Wendejahr 1917“ thematisiert.

Die Tagung kam mit ihren unterschiedlichen historiographischen Zugängen grundlegenden Anforderungen an eine moderne Militärgeschichte entgegen. Die Veröffentlichung der Referate in einem Tagungsband ist vorgesehen.

Kontakt:
Fregattenkapitän Dr. Frank Nägler
Tel.: 0331 9714 -570, -541