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Kulturen und Kosten der Wartung. Der Aufstieg von Kreosot und sein prekäres Erbe

In diesem Projekt werden die beiden jüngeren Forschungsfelder der Stoffgeschichte und der Wartungs- und Reparaturgeschichte zusammengeführt. Die Analyse folgt dem Stoff Kreosot, einem Steinkohlenteeröl, durch verschiedene historische Kontexte vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart und beleuchtet dynamische Wechselwirkungen zwischen Technik, Gesellschaft und Umwelt in Europa.

In einem ersten Schritt soll die Entwicklung des Kreosots vom Flüsse verschmutzenden Nebenprodukt der Kohleindustrie zum begehrten Holzimprägniermittel für Eisenbahnschwellen rekonstruiert werden. Folgt man dem Steinkohlenteeröl dann auf dem Weg vom Abfallstoff in seine neue Anwendungsform als Imprägnierstoff, öffnet sich schließlich ein vielversprechender Blick auf historische Wartungskulturen, die in weiten Teilen immer noch als Forschungsdesiderat gelten müssen. Die Analyse richtet sich hierbei vor allem auf die Arbeiter:innen in den Imprägnieranstalten sowie die Bahnmeister, Rottenführer und Streckenläufer des Bahnunterhaltungsdienstes.

Auf den Altlastenkatastern, die seit den 1980er Jahren entstanden, nehmen Imprägnieranstalten heute eine zentrale Rolle ein. Die Rekonstruktion der Konflikte um ihre Sanierung, die sich in den letzten Jahren in einer wachsenden Zahl von Bürgerinitiativen niederschlägt sind ein fruchtbares Thema für interdisziplinäre Forschung an der Schnittstelle von Umweltgeschichte, Technikgeschichte und Umweltwissenschaften.

Schließlich ist die Geschichte der Eisenbahnschwellen auch reich an sich wandelnden Formen der Umnutzung an und jenseits der Bahninfrastruktur, die eingehend untersucht werden sollen. Im kreativen Umgang der Bahnmeisters mit Altschwellen entlang der Strecken scheint die Grenze zwischen Wartung und Innovation zu verschwimmen. Bis zur Einstufung von Kreosot als Gefahrstoff in den 1990er Jahren fanden imprägnierte Altschwellen zudem auch ihren Weg auf öffentliche Plätze und in private Haushalte, wo sie beispielsweise als Zaunpfähle oder Beet-Einfassungen genutzt wurden.

Dieses Projekt wird ermöglicht durch eine Finanzierung der Deutschen Forschungsgemeinschaft [DFG Eigene Stelle, Laufzeit: 2021-2024].

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Dr. Martin Meiske ist Postdoctoral Researcher und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut des Deutschen Museums in München und Lehrbeauftragter am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Seine Forschungsinteressen liegen an der Schnittstelle zwischen Umwelt,- Technik- und Wissenschaftsgeschichte. Er studierte Geschichte und Germanistik in Potsdam, Bern und Zürich und wurde in München am Rachel Carson Center für Umwelt und Gesellschaft und der Ludwig-Maximilians-Universität promoviert.

Zu seinen jüngsten Publikationen gehören „Die Geburt des Geoengineerings. Großbauprojekte in der Frühphase des Anthropozäns“ (Wallstein, 2021) und „Beyond the Lab and the Field: Infrastructures as Places of Knowledge Production Since the Late Nineteenth Century“ (hrsg. mit Eike-Christian Heine, University of Pittsburgh Press, 2022).

Ein ausführlicher Lebenslauf und umfassende Informationen zu Forschungsprojekten und Publikationen findet sich auf www.martinmeiske.com 

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Cultures and Costs of Maintenance. The Rise of Creosote and its Precarious Legacy

In this project, material history meets maintenance and repair history. The analysis follows creosote, a coal tar oil, through various historical contexts from the end of the 19th century to the present day and illuminates dynamic interactions between technology, society, and the environment in Europe.

As a first step, I reconstruct creosote's development from the by-product of the coal industry, which pollutes rivers, to the coveted wood impregnation agent for railway sleepers. If one follows the coal tar oil in its transformation from waste material to its new application as impregnating material, a promising view on historical maintenance cultures opens up, which in large parts still has to be regarded as a research desideratum. The analysis includes workers inside the impregnation plants as well as the permanent way inspectors, platelayers, and track walkers in the railway maintenance service.

Wood impregnation plants play a central role in the contaminated land site registers that were created in the 1980s. The reconstruction of the conflicts surrounding soil rehabilitation, which has been reflected in a growing number of citizens' initiatives in recent years, is a fruitful topic for interdisciplinary research at the interface between environmental history, the history of technology, and environmental sciences.

Finally, the history of railway sleepers is also rich in changing forms of conversion in the context of railway systems and beyond, which will be examined in detail. In the permanent way inspectors creative use of old sleepers along the tracks, the line between maintenance and innovation is blurring. Until they were classified as a hazardous substance in the 1990s, impregnated old sleepers also found their way into public spaces and private households, where they were used, for example, as fence posts or raised plant beds.

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Dr. Martin Meiske

Forschungsinstitut für Wissenschafts- und Technikgeschichte

Deutsches Museum

Museumsinsel 1

80538 München

E-Mail:

Tel.: +49/89/2179-287

www.martinmeiske.com

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