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Technikgeschichte und Wirtschaftsgeschichte

Helmut Hilz, Stephan Lindner

Was hat die Wirtschaftsgeschichte der Technikgeschichte und vice versa zu bieten? Die traditionelle Volkswirtschaftslehre schenkte der Technik bis nach dem Zweiten Weltkrieg bestenfalls geringe Beachtung; Ökonomen wie Schumpeter bildeten hierbei eine Ausnahme. Erst die verstärkte Beschäftigung mit der Konjunktur- und Wachstumstheorie lenkte die Aufmerksamkeit der Wirtschaftswissenschaftler auf den »technischen Fortschritt«, der als einer der wesentlichen Gründe für das Wirtschaftswachstum erkannt wurde, wobei die Arbeiten Schumpeters bis heute in vielen Untersuchungen die theoretische Basis bilden. Unter den Wirtschaftstheoretikern haben in den letzten Jahrzehnten vor allem die Ökonometriker die Bedeutung des »technischen Fortschritts« herausgestellt, ohne jedoch zu einer genauen Quantifizierung zu kommen.
Wirtschafts- und Technikhistoriker arbeiten im angelsächsischen Raum bereits seit Beginn der 1960er Jahre eng zusammen. Ihren Ausdruck fand die verstärkte Beachtung wirtschaftlicher und sozialer Komponenten vor allem in der Dominanz der »contextual history« in der Zeitschrift »Technology and Culture«. Habakkuks 1962 erschienenes, bahnbrechendes Werk »American and British Technology in the Nineteenth Century« bezog erstmals Wirtschaft und Technik gleichermaßen in die Überlegungen ein. Auf Schumpeter und Habakkuk aufbauend erschienen dann in den folgenden Jahren und Jahrzehnten Untersuchungen von Nathan Rosenberg, Thomas P. Hughes, William Lazonick, Joel Mokyr und zahlreichen anderen Wirtschafts- und Technikhistorikern. Ihr zentrales Thema ist der Einfluß der Technik auf die Wirtschaftsentwicklung; die Methoden der Geschichts- und Wirtschaftswissenschaften werden dabei gleichermaßen herangezogen. Besonders beeinflußt wurden diese historisch ausgerichteten Arbeiten durch die Fortschritte in der Innovationstheorie, etwa Christopher Freemans »The Economics of Industrial Innovation« (1974).

Knut Borchardt äußerte sich in Deutschland 1967 in der »Technikgeschichte« als einer der ersten zum Verhältnis der beiden historischen Spezialdisziplinen, die nach seiner Meinung »das gesamte traditionelle Geschichtsbild wesentlich stärker verändern werden als sie es im letzten Jahrhundert zu beeinflussen vermochten, mit dem Ergebnis, daß künftig Lehrbücher der Geschichte ganz anders aussehen werden als sie das im allgemeinen noch heute tun.« Im Gegensatz zur allgemeinen Geschichtswissenschaft bezog die Wirtschaftsgeschichte schon in den 70er Jahren die Technik in ihre Betrachtungen mit ein. Es erschienen verstärkt Arbeiten, die sowohl wirtschafts- als auch technikhistorische Fragestellungen verbanden; eine Entwicklung, die in den 80er Jahren allerdings nicht in gleichem Umfang anhielt.