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Auf Autobahnen zum Sieg des Sozialismus? Infrastrukturpolitik in der DDR am Ende der 50er Jahre

Axel Doßmann

Die Reichsautobahnen lagen in den 1940er Jahren wie »leere Stilisierungen« in der deutschen Landschaft (Hartmut Bitomsky) - und provozierten infrastrukturpolitische Kontinuitäten. Im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands erbte die DDR im Herbst 1949 immerhin 1375 Autobahnkilometer. Westdeutsche hatten diese asphaltverfugten Betonpisten oft als »unbefahrbar« erlebt - bis sich die Bundesrepublik mit den Transitabkommen ab den frühen 70er Jahren selbst um Finanzierung und Bau »ihrer« Trassen durch die »Zone« bemühte.

Aus dem kollektiven Gedächtnis der Gegenwart verbannt sind indes die Bestrebungen der jungen DDR, daß ererbte Autobahn- und Fernstraßennetz umfassend auszubauen: Kaum hatte Verkehrsminister Seebohm seine umfassenden Ausbaupläne für die Bundesautobahnen durchgesetzt, begann die DDR Ende 1958 mit den Planungen für den Bau einer Autobahn von Berlin nach Rostock. Diese Autobahn sollte Teil eines »leistungsfähigen Grossraum-Straßennetz« werden, das bis 1980 die erwarteten »starken und stärksten Verkehrsströme reibungslos« aufnehmen, »schnell, billig und bequem und vor allem Dingen verkehrssicher« weiterleiten und schließlich »einwandfrei abgeben« sollte.

Sind solche Sätze aus Planungsdokumenten für den Bau der Autobahn Berlin-Rostock zwischen 1958 und 1963 nur absurde Ergüsse wahnwitziger Ideologen, die lediglich politische Vorgaben zu erfüllen suchten? Um die Genese solchen »Größenwahnsinns« zu begreifen, versuche ich die Vordiskurse von (Fern-)Straßenbauprojekten zu analysieren. Liest man die Redeweisen und Metaphern als Symptome bzw. Indizien für unbewußte und irrationale Motive und versucht, die Planungspraxis zu rekonstruieren, dann lassen sich »Logiken« und Eigendynamiken erkennen, die aus einer vorgeblich »rationalen« Straßenverkehrspolitik im Planerstaat DDR eben das werden ließ, was wir heute gerne als »größenwahnsinnig« bezeichnen - aber damit noch nicht verstanden haben.

Folgende - hier thesenhaft formulierte - Aspekte möchte ich diskutieren:

Verkehrsprognosen als Wunschprojektionen vom Verkehr in der (sozialistischen) Zukunft
Visionen vom »fließenden Verkehr« als Männerphantasien und Effekt tradierter sozial-psychologischer sowie technisch-ästhetischer Leitbilder der Moderne
die Systemkonkurrenz als wirkungsmächtiges Element in der Infrastrukturpolitik - bautechnologischer und logistischer Enthusiasmus als Reflex auf das unbewußte Eingeständnis, daß die Pläne unter den gegebenen bau- und finanzpolitischen Bedingungen zu scheitern drohten.