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Weiße Elefanten. Zur Geschichte gescheiterter technischer Großprojekte

Dirk van Laak

»Ingenieure bauen die Welt« waren noch in den 50er Jahren optimistische Veröffentlichungen übertitelt, die technische Großprojekte zur weltweiten Erschließung der natürlichen Ressourcen feierten. In den 70er Jahren war von solcher Euphorie, sie sich in den 60ern auf die vermeintlich unbegrenzt nutzbare Kernenergie verschoben hatte, nichts mehr zu spüren. Gerade in den entwickelten Industrienationen hat sich die Sensibilität für politische und gesellschaftliche, vor allem aber für die ökologischen Folgen von Großprojekten gesteigert. Diese Skepsis hat heute sogar die Schwellen- und Entwicklungsländer erreicht, und diese Widerstände gegen technische Megaplanungen, die auf einen Streich eine Fülle unterschiedlichster Probleme lösen sollen, weisen auf das langsame Ausklingen einer Epoche hin. Es scheint für den Historiker an der Zeit, neben den politischen und sozialen Großplanungen dieses ideologischen Jahrhunderts auch die systemübergreifende Neigung zu gigantischen Bauvorhaben in den Blick zu nehmen.

Der Anspruch, auf technischem Wege politische, soziale und wirtschaftliche Konflikte lösen zu können, scheint zur Spezifik eines Zeitalters zu zählen, das sich einerseits dem Fortschrittsoptimismus verschrieb, andererseits aber auch einen besonderen Problemhorizont ausgebildet hat. Darin haben - vornehmlich in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, z.T. aber auch bis heute - a) die »gesunde« Verteilung zwischen Raum und Bevölkerung sowie b) der Zugriff auf die Ressourcen der Welt sowie c) die Verfügbarkeit von Energievorräten eine überragende Bedeutung gehabt.

In expliziter Abwendung von primär politischen oder ökonomischen Lösungsversuchen haben Techniker und Ingenieure an Modellen gearbeitet, die nach Kriterien der Rationalität und Effizienz künftige internationale Konflikte um diese Fragen zu vermeiden suchten. Der Vortrag schlägt eine vorläufige Kategorisierung von technischen Megaprojekten vor, die aus dieser Problemwahrnehmung während des 20. Jahrhunderts erwachsen sind:

Die »innere Kolonisation«
Die militärischen Befestigungen und Manifestationen politischer Macht
Die großen Weltstraßen
Die Aufbauwerke zur Entwicklungshilfe und Völkerverständigung
Zu fragen ist hierbei nach den (ideologischen) Motiven der technischen und Planungs-Eliten sowie nach den Leitbildern, die hinter diesen babylonischen Turmbauten jeweils gestanden haben. Ein klassifizierender Blick auf diese Prestige-Projekte scheint trotz ihres mehrheitlichen Scheiterns deshalb gerechtfertigt, weil sie lediglich die Spitze eines Eisbergs an technischen Innovationsversuchen darstellen. Die aus ähnlich technokratischem Geiste entstandenen Infrastrukturmaßnahmen haben Alltag und Umwelt weltweit stark beeinflußt und derart umgestaltet, daß es schon überraschend ist, wieso sich die betroffenen Gesellschaften über die politischen, sozialen und kulturellen Effekte der mehr oder weniger beherzten Versuche, die Umwelt technologisch zu durchdringen, nicht jeweils stärker Rechenschaft abgelegt haben.