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Wahrnehmung der Umwelt

Stefanie Geissler

Wahrnehmung und Bewertung von Umweltveränderungen im 19. Jahrhundert

Im Zentrum meiner Dissertation steht die Frage nach den Wahrnehmungsmustern und Bewertungssystemen, innerhalb derer die Menschen im 19. Jh. die dramatischen Veränderungen ihrer »Umwelt« erfassten. Wahrnehmungsformen wurden ebenso wie Bewertungskategorien bislang noch relativ wenig in der historischen Umweltforschung berücksichtigt. Diese richtete ihr Augenmerk im wesentlichen auf die Strukturen und Konzepte der Regulierung von Umweltkonflikten und Umweltschäden. Im Rahmen dieses Referats möchte ich auf die inhaltlichen und methodischen Probleme eingehen, die mit der Bearbeitung des Aspekts »Wahrnehmung« im Rahmen der Umweltgeschichte verbunden sind.

Eine Geschichte der Wahrnehmung von Umweltveränderungen verweist in besonderem Maße auf die Vielschichtigkeit von Umweltgeschichte. Wahrnehmungen und Bewertungen wurden, solange kein konsistenter Sammelbegriff »Umwelt« existierte, in höchst unterschiedlichen Diskurszusammenhängen artikuliert. Für die historische Analyse dieser Diskurse wird der Begriff »Umwelt« in seine verschiedenen inhaltlichen Konnotationen zerlegt. Die umweltgeschichtliche Frage nach Wahrnehmungsmustern und Bewertungszusammenhängen berührt ein breites Spektrum technik- und wirtschaftsgeschichtlicher, wissenschaftsgeschichtlicher und sozialhistorischer Aspekte.

In diesem Sinne möchte ich Umweltgeschichte als »Querschnittswissenschaft« präsentieren, die gleichermaßen Verbindungslinien zwischen historischen Teildidziplinen herstellt und neue Aspekte in vertrauten Kontexten erarbeitet.

In vertikaler Perspektive läßt sich das Konzept der »Reizschwellen« (Radkau) für die Analyse von Wahrnehmungsmustern und Bewertungsystemen historischer Umweltveränderungen im Hinblick auf eine Periodisierung der Umweltgeschichte fruchtbar machen.

Die mit der Analyse historischer Bewertungssysteme verbundene Reflektion der Inhalte und Wertsysteme, die der aktuelle Begriff »Umwelt« transportiert, verbindet die historische Arbeit mit der politischen/gesellschaftlichen Gegenwart - ein im Rahmen dieses Themas durchaus wünschenswerter Prozeß.