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Die Harmonisierung des Verhältnisses von Natur und Mechanik um 1600

Marcus Popplow

Das Verhältnis von Umwelt und Technik in vorindustriellen Epochen wird auf ideengeschichtlicher Ebene zumeist am Beispiel zeitgenössischer Verwendungsweisen des Naturbegriffs analysiert. Häufig stützt sich die Interpretation jedoch auf Autoren, die technischen Entscheidungsprozessen relativ fern standen. Hingegen basiert der vorgeschlagene Beitrag auf Druckwerken, mit denen sich die »Ingenieure der Renaissance« selbst erstmals an eine breitere Öffentlichkeit wandten. Diese Quellen zeigen einen einschneidenden Wandel der Begriffsopposition von »Mechanik« und »Natur«.

Den Autoren der technischen Literatur wurde um 1600 eine in aristotelischer Tradition stehende, wissenschaftsinterne Bestimmung zum Problem, nach der die Anwendung mechanischer Hilfsmittel außergewöhnlich und damit ein Wirken »gegen die Natur« sei. Dieses Wirken »gegen die Natur« war im 15./16. Jahrhundert, beispielsweise in Auseinandersetzungen um den Bergbau, zu einer konfliktträchtigen Denkfigur geworden. So wie sich Agricola in »De re metallica« (1556) bemüht hatte, die Diskussion um den Bergbau zu »versachlichen«, strichen nun auch die Ingenieure heraus, wie Natur und menschlicher Erfindungsreichtum gerade in Mühlwerken und Wasserkünsten harmonisch zusammenspielten. In Abgrenzung zu dem in der Renaissance weitverbreiteten Bild der beseelten Mutter Natur suchten sie für ihren Tätigkeitsbereich eine neue Denkfigur zu etablieren, die »Natur« als neutrale, bei Bedarf durch den Menschen zu nutzende Kraftquelle verstand.

Diese Harmonisierung des Verhältnisses von Maschinentechnik und Natur um 1600 ist, so wird das Referat zeigen, weniger als Mentalitätswandel zu deuten denn als Ergebnis neuer Diskurskonstellationen der frühen Neuzeit. Die Textinterpretation wird daher kaum kausale Erklärungen für den spezifischen Umgang der Zeitgenossen mit natürlichen Gegebenheiten liefern konnen, sondern eher dazu beitragen, die Kluft zwischen modernen und historischen Denkfiguren zum Thema »Umwelt« und »Technik« zu verdeutlichen.