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Umweltorientierte Energiepolitik im ländlichen Raum und nachhaltige Technologieverbreitung

Bernd Gutterer

Der Begriff "Nachhaltigkeit" ist zu einem der zentralen Schlüsselbegriffe umweltpolitischer und entwicklungspolitischer Diskussion der neunziger Jahre geworden. Zum einen thematisiert er das prekäre Verhältnis zwischen physiologischer Natur und menschlichem Handeln, was in zunehmende ökologische Krisenerscheinungen mündet, zum anderen problematisiert er die anscheinend unzufriedenstellenden Wirkungen der Entwicklungszusammenarbeit. Der Vortrag führt diese beiden Begriffe in einem prominenten Tätigkeitsfeld der Technischen Zusammenarbeit, der ländlichen Energieversorgung in Entwicklungsländern, zusammen und arbeitet an einem konkreten Technologiebeispiel, der Biogastechnologie, die oft beobachtete Diskrepanz zwischen entwicklungspolitischem Anspruch und innovativen Wirkungen der Technischen Zusammenarbeit in strukturschwachen Gebieten heraus.
Die Auswertung empirischer Daten zeigte, daß technologische Innovationskonzepte die Realitäten strukturschwacher Räume in zahlreichen Fällen nur ungenügend reflektieren. Identifizierten Problemen werden schematisch Lösungen zugeordnet, die sich anscheinend bereits außerhalb des konkreten gesellschaftlichen Problemfeldes anhand allgemeiner entwicklungspolitischer Begriffe qualifiziert haben. Die Innovationskompetenz des ländlichen Raumes wird jedoch genauso wenig reflektiert wie die sozio-ökonomischen Faktoren jenes Prozesses, der die eingebrachte Problemlösung nachhaltig zu tragen hat. Das Ergebnis ist nicht nur eine Überschätzung der Wirkungsmöglichkeiten von Entwicklungsprojekten, sondern vor allem auch eine Blockierung problemadäquater Willensbildung und eine wenig effektive Bindung von Ressourcen der betroffenen Länder.

Der Vortrag arbeitete die Notwendigkeit einer entwicklungspolitischen Problemanalyse heraus, die die Defizite ländlicher Energieversorgung nicht mehr in rein technologischen Kategorien, sondern mittels einer systemanalytischen Methodik reflektiert. So wurde nicht nur deutlich, daß die in Fachkreisen so favorisierte Biogastechnologie mittelfristig nicht mehr als strategische Option für eine verbesserte Energieversorgung im strukturschwachen ländlichen Raum angesehen werden kann. Weiterhin wurde sichtbar, daß auch andere Regenerative-Energiesysteme bisher nur einen beschränkten energiepolitischen Beitrag zu leisten vermögen. Eine Analyse des ländlichen Energiesystems zeigt, daß von fossilen Energieträgern weit bedeutendere Wirkungen für eine verbesserte Basisversorgung - auch unter ökologischen Gesichtspunkten - zu erwarten sind. Damit wird die Notwendigkeit einer Strukturpolitik unterstrichen, die Übergangsszenarien favorisiert und sich nicht bloß von politischer Symbolik leiten läßt.

Ein differenziertes Verständnis von der Innovationskompetenz des ländlichen Raumes macht gleichzeitig deutlich, daß die Defizite bei der energetischen Basisversorgung nicht nur als energetisches Problem gesehen werden können. Vielmehr sind sie auch wirtschaftlicher Natur. Eine verbesserte wirtschaftliche Substanz des ländlichen Raumes fördert das Einsickern fossiler Brennstoffe und in einer Phasenverschiebung ist eine höhere Penetrationsrate von Regenerativen-Energiesystemen denkbar. Damit sollte eine ökologisch orientierte Energiepolitik im ländlichen Raum mit der Förderung der klein- und mittelbäuerlichen Wirtschaft verbunden sein.

Nicht zuletzt der hohe Innovationsbedarf im Bereich Regenerative-Energiesysteme, der sich im technischen Bereich auf die Erhöhung der Leistungsfähigkeit, eine Verbreiterung des Einsatzspektrums und auf die Reduktion Investitionskosten erstreckt, zeigt die Notwendigkeit einer strukturellen Unterstützung der Technischen Zusammenarbeit durch die relevanten Politikfelder der Industrieländer auf. Ist es doch ihr Vorbildcharakter, der Kulturmuster maßgeblich prägt und die Glaubwürdigkeit technologischer Innovationsansätze untermauert.