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Reparieren - ein Thema der Technikgeschichte?

Reinhold Reith

Die Technikgeschichte beschäftigte sich bisher am liebsten mit dem sekundären Sektor und vorzugsweise mit der Neuproduktion: Während dem Produzieren als technische Handlung die Aufmerksamkeit der "Allgemeinen Technologie" galt, so wurde das Reparieren als technische Handlung kaum in den Blick genommen. Wer sich in den einschlägigen Registern auf die Suche nach den Stichworten "Reparatur" oder "Reparieren" begibt, wird wenig nachzuschlagen haben. Wenn Reparatur behandelt wird, wie in Meyers Konversationslexikon, so finden sich nur die Synonyme "Wiederherstellen" und "Ausbessern"; darüber hinaus werden wir auf die "Reparaturwerkstätten der Eisenbahnen" verwiesen. Auch das Stichwort "Ersatzteil" führt schließlich zur Lokomotivfertigung.

Während die "austauschbare Fertigung" das Interesse der Forschung gefunden hat, blieb der "Austausch" selbst vergleichsweise unbelichtet - und spiegelt offenbar die Vorlieben der Forschung. Denn volks- und betriebswirtschaftlich gesehen nahm die Reparatur breiten Raum ein: Die meisten Großbetriebe unterhielten Reparaturabteilungen und -kolonnen, und in den zwanziger Jahren war z.B. in der chemischen Industrie jeder vierte Arbeiter mit Reparatur beschäftigt. Doch nicht nur bei Produktions- bzw. Investitionsgütern waren Reparatur und Wartung unumgänglich, auch für die Verbreitung von Massengütern (Fahrräder, Nähmaschinen, Waffen, Radios, Staubsauger etc.) spielte "Reparatur" eine große Rolle. Der Wandel von Tätigkeitsfeldern und das Entstehen neuer Berufsbilder, die explizit mit der Reparatur verbunden sind, ist zwar von der Handwerksgeschichte partiell behandelt worden, da sich das Reparieren ja in kleinen Einheiten - und das waren die Reparaturbetriebe - vollzog (wenngleich in symbiotischer Beziehung zur Massenproduktion). Doch das Reparieren ist nicht nur eine professionalisierte technische Handlung: Reparieren hat auch eine alltägliche Dimension. Mit dem Stopfen, Flicken, Ausbessern, Übertünchen, Löten, Abdichten, Kleben, Leimen etc. eröffnet sich bis hin zum Umnutzen, Basteln und Heimwerken ein Feld technischer Handlungen, das die Technikgeschichte bisher allenfalls gestreift hat.

Der Beitrag ist daher als Plädoyer für "Reparieren" als Thema der Technikgeschichte konzipiert: Reparieren bringt Produktion und Verwendung in einen engen Zusammenhang und wirft Fragen zum Produktzyklus (Reparaturmöglichkeit, Demontage, Lebensdauer, Verschleiß etc.) auf. Ausgangspunkt des Papiers bilden Fragen - in historischer Dimension - nach den technischen Möglichkeiten der Reparatur: Struktur der Produkte, Konstruktion, Verfahren (bes. Fügen), Werkstoffe, Material, Werkzeuge. Welche Rolle spielt die Reparatur bei der Produktgestaltung bzw. bei der Konstruktion und in der Konstruktionslehre? Reparaturmöglichkeiten sind auch durch die technische Sozialisation bestimmt: Reparieren und Basteln lassen eine geschlechtsspezifische Ausformung (Handarbeiten versus Werken) erkennen. Welche Rolle spielt die Reparatur in Kriegs- und Nachkriegszeiten? In der DDR dürften angesichts der Vernachlässigung des Dienstleistungssektors sowie des Kleinhandwerks diese Qualifikationen noch eine bedeutende Rolle gespielt haben. Doch insgesamt verweist der wachsende Markt für den Heimwerker auf eine außerordentlich nachfragestarke "Bastelkultur".