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Artifizielle Körper - Hirntod in der Schweiz von 1960 bis 2000

Silke Bellanger / Aline Steinbrecher

Die medizinischen, technischen Entwicklungen der Intensivmedizin, insbesondere die künstliche Beatmung, ziehen seit 1960 neue Grenzen zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit der Existenz. Dem bloßen Augenschein nach wird unsicher, ob manche PatientInnen noch leben oder schon tot sind. Ihre Körper zeigen sowohl Zeichen, die als Indizien des Lebens gedeutet werden, als auch solche, die auf die Abwesenheit von Leben verweisen. Die bisher bedeutsamen Kriterien der Todesfeststellung - Herzkreislaufstillstand bis hin zur Leichenstarre - verlieren im Kontext der Möglichkeiten der Intensivmedizin, den Herzkreislauf künstlich zu stützen bzw. zu ersetzen, an ausschließlicher Aussagekraft. An ihre Seite treten die Kriterien des Hirntodes.

Der Körper des Hirntoten ist ein artifizieller Körper, der gebunden an die Kategorien Patientin, Sterbender, Hirntote, Spender, Leiche immer wieder rekonfiguriert wird. Zu seiner Statusbestimmung werden technische Visualisierungsverfahren entwickelt. Um die Technik im und am Körper - sowohl als therapeutische Massnahme wie auch Überwachungsmassnahme - welche changierende Grenzlinien zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit hervorbringt und um den Zwischenraum, in dem sich die Dimension von Körper und Technik stetig verändert, wird es in diesem Beitrag gehen.