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Jutta Weber
Über das Evolvieren von lebendigen Artefakten. Zur Frage nach einem 'neuen' Denken in Robotik und Neuroinformatik

Im Juni 1999 wurde von der Europäischen Forschungskommission ein Workshop zu "Neuro-Informatik für 'lebendige' Artefakte" ausgerichtet, um neue Koalitionen der Bio- und Neurowissenschaften mit den Informationstechnologien zu ermöglichen, deren Ziele folgendermassen umrissen werden: "To explore new synergies between Neurosciences and Information Technologies in order to enable the construction of hardware/software 'artefacts that live and grow', i.e. artefacts that self-adapt and evolve beyond pure programming. Preference will be given to work that demonstrates adaptability and growth in the real world ..." (vgl. www.cordis.lu/ist/fetni-1.htm; hvm.).

Nach dem Scheitern der alten Künstlichen Intelligenz-Forschung legt die neuere Robotik, die Artificial Life- und 'Verteilte Intelligenz-Forschung' mehr und mehr Aufmerksamkeit auf biologische Prozesse, versucht neue Materialien, aber auch Konzepte (z.B. Intelligenz, Information) zu entwickeln, um neue und vielversprechendere Formen der Wissens- und Artefaktproduktion zu ermöglichen. Im Kontext dieser Entwicklung stößt man zunehmend auf die Behauptung, dass sich in den neuen Hybridwissenschaften Instrumentarium und Methodik grundlegend ändert, da reduktionistische Konzepte und hierarchische Strategien der klassischen modernen Naturwissenschaften, die sich primär mit toten Gegenständen auseinandergesetzten, nicht (mehr) adäquat für die Erfassung der Logik des Lebendigen seien. Es bedürfe eines neuen Denken jenseits alter Polarisierungen: "... diese klassische physikalische Sehweise der Welt ist viel zu eng, wenn man diese Lebensphänomene wirklich verstehen will. Und diese Ebene, auf der man sie verstehen kann, ist auch sicher eine andere, also nicht diese monokausale, zerlegbare, reduktionistische Sehweise, aber auch nicht im Gegenschritt der Holismus sozusagen, sondern irgend etwas wird sich da entwickeln, was beide Anteile hat." (aus einem Interview mit einem Robotiker)

In meinem Beitrag möchte ich diesem Anspruch der neueren Robotik (anhand von Literatur aber auch eigenen Interviews mit RobotikerInnen) nachgehen - einerseits in ihrem Verhältnis zu älteren Ansätzen in der Kybernetik, Komplexitäts- und Selbstorganisationstheorie (von Foerster, Maturana, etc.) als auch in ihrer Abgrenzung zur alten KI-Forschung.

Literatur:

Boden, Margaret A. (ed.) (1996a): The Philosophy of Artificial Life. NY
Brooks, Rodney (2001): The relationship between matter and life. In: NATURE, Vol.409, 18.Jan.2001, 409-411
Cordis (2000): Information Society Technologies: Fet - Proactive Initiative 2000. Neuroinformatics for living artefacts. In: http://www.cordis.lu/ist/fetni-4.htm, 1 (last access: 29.6.2002)
Haraway, Donna (1985): Manifesto for Cyborgs: Science, Technology, and Socialist Feminism in the 1980s', Socialist Review 80, 65-108
Hayles, N. Katherine (1999): How We Became Posthuman : Virtual Bodies in Cybernetics, Literature, and Informatics. Chicago
Pfeifer, Rolf (2001): Embodied Artificial Intelligence. 10 Years Back, 10 Years Forward. In: R. Wilhelm (Ed.): Informatics. 10 Years Back. 10 Years Ahead, Lecture Notes in Computer Science, Berlin / Heidelberg: Springer, 294-310)
Risan, Lars (1996): Artificial Life: A Technoscience Leaving Modernity? In: www.anthrobase.com/Txt/R/Risan_L_05.htm (last access 5/2000)
Weber, Jutta (2001): Umkämpfte Bedeutungen: Naturkonzepte im Zeitalter der Technoscience. In: http://elib.suub.uni-bremen.de/publications/dissertations/E-Diss228_webersec.pdf (erscheint im Februar 2003 bei Campus)
Wiener, Norbert: Kybernetik. Düsseldorf 1965