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Reinhold Reith
"Bilder der Arbeit": Photographische Konzepte zu einer Archäologie der Arbeit (bes. in den 1920er Jahren)

Der Beitrag schließt an die Diskussion um den Umgang mit Bildern - hier Photographien - in der Technikgeschichte an. Wenn "Bilder der Arbeit" mit ihrer hohen suggestiven Kraft mehr als illustrativen Charakter haben sollen, so sind auch Bilder einer entsprechenden Quellenkritik zu unterziehen.

Der Fundus an Arbeitsbildern ist zwar gut bestückt, und in den letzten Jahren hat die Diskussion über das »Ende der Arbeitsgesellschaft« auch das Interesse an der Ikonographie der Arbeit befördert. Doch die Photographen näherten sich dem tätigen Leben offenbar nur zaghaft. Erst in den 1880er Jahren begannen Photographen intensiver in Betrieben zu photographieren. Auftraggeber waren jedoch meist Fabrikinhaber, die ein spezielles Interesse (z.B. Jubiläen) an meist gefällig arrangierten Selbstdarstellungen der Unternehmen hatten. Nach der Jahrhundertwende näherten sich Photographen mit verschiedenen "Bildkonzepten" der "Arbeitswelt"; vier Konzepte sollen in diesem Rahmen vorgestellt werden:

Der Wiener Rechtsanwalt und Amateurphotograph Dr. Emil Mayer (1871-1938) entwickelte im Wiener Amateur-Photographen-Club in Abgrenzung zur "seelenlosen Berufsphotographie" einen dokumentarischer Stil, der ihm den Ruf als Vorläufer und Pionier der Life-Photographie eingetragen hat: Als Dokumentarist des Wiener Straßenlebens (aus der Tradition der Sammelbilder "Wiener Typen") hatte er eine Technik des unbemerkten Photographierens entwickelt: Sein Bildprogramm lässt sich mit Altenberg als "Extrakte des Lebens" bezeichnen, Arbeit auf der Straße war dabei nur ein, jedoch ein immer wiederkehrendes Motiv.

Lewis Hine (1874-1940) ist vor allem durch seine Bilder vom Bau des Empire State Building 1931 (men at work) bekannt geworden: Hines Photographien sind bewusste Aussagen und Stellungnahmen mit politischem Auftrag, so z.B. die sozialkritische Aufklärung z.B. über Kinderarbeit im Stil der filmisch angelegten Photo Story. Auch seine späteren apodiktischen Bilder formulieren ein Bildprogramm: "ich werde Euch in das Herz der modernen Industrie führen".

August Sander (geb. 1876) hat sein Bildprogramm in den 1920er Jahren formuliert: Er wollte mit Hilfe der "reinen Photographie" Bilder schaffen, »die die Betreffenden unbedingt wahrheitsgetreu und in ihrer ganzen Psychologie wiedergeben«. 1929 publizierte er in »Antlitz der Zeit« 60 Portraits, die Basis für eine sozial-typologische Bestandsaufnahme der deutschen Gesellschaft. Kennzeichnend für seine typologischen Photographien ist die starke Konzentration auf die körperliche Darstellung seines Gegenübers, wobei er ganzfigurige Portraits (sitzend oder stehend) präferierte.

Der Berliner Pressephotograph Willy Römer (1887) hat kein Programm formuliert, doch mehr als Sander und andere hat Römer die Arbeit selbst interessiert: Während Sander den Kontext eher spärlich einbezieht und den Niederschlag der Arbeit in der Physiognomie oder im Habitus ins Bild setzt, zeigt Römer "das tätige Leben" in seinem Kontext. Ein Bildprogramm ist nur durch die Auswahl der Motive sowie Bildunterschriften und -texte zu eruieren. Römer fokussierte - weit über das Verkäufliche hinaus - gezielt "verschwindende Arbeit". Seine dokumentarischen Aufnahmen und Sequenzen zu Arbeitsprozessen - zeitgleich mit den Bemühungen um die technischen Kulturdenkmäler und die Anfänge der Industriearchäologie - sind ein zentraler Beitrag zur Archäologie der Arbeit.

Die Kontur dieser Bildprogramme - in ihren verschiedenen Ausformungen - treten noch deutlicher hervor, wenn man sie den Bildern der Arbeit ("Adel der Arbeit") im Dritten Reich gegenüberstellt.