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Dario Azzellini

Irak: die private Seite des Krieges. Zur Privatisierung militärischer Aufgaben

In den vergangenen Jahren zeichnet sich eine zunehmende "Privatisierung" militärischer Aufgaben ab, ein Markt von weltweit jährlich über 100 Mrd. Dollar. Dies hat verschiedene Facetten: Die offizielle Externalisierung an "Private Military Contractors" (PMCs) durch die Armeen der Industriestaaten, allen voran die USA, in denen bereits ein Drittel der Militärausgaben an Privatunternehmen geht; der Einsatz von PMC's durch Staaten des Südens und transnationale Unternehmen; der Einsatz von paramilitärischen Strukturen durch Regierungen, politische und ökonomische Eliten.

Ganz gleich ob es um Leibwachen des afghanischen Präsidenten Karzai, Sondereinheiten im Irak, Kokabesprühungen in Kolumbien oder Radaranlagen in Lateinamerika geht - alle diese Aufgaben werden von Privatunternehmen übernommen. In den vergangenen Jahren steigt der Anteil der PMC-Angehörigen in Militäraufgaben und Konflikten stetig, war das Verhältnis zwischen PMC-Angehörigen und regulären Soldaten beim ersten Krieg gegen den Irak noch 1:100 und im Krieg gegen Jugoslawien 1:50 so ist es aktuell im Irak bereits 1:10.

Gegner des Outsourcing militärischer Aufgaben warnen vor einem drohenden Verlust staatlicher Kontrolle der Konfliktsituationen, Befürworter argumentieren mit einer vermeintlichen Kostenersparnis. Tatsächlich geht beides am Kern der Problematik vorbei. Mit dem Outsourcing militärischer Aufgaben findet eine Transformation der Macht, der Repressions- und Militärstrukturen statt, nicht ihr Zerfall. Schließlich spricht auch niemand von einem Zerfall von Daimler-Chrysler trotz zehntausender Subunternehmen im Dienste des Konzerns. Und auch eine Kostenersparnis konnte bisher nicht nachgewiesen werden.

Nach dem US-Kontingent, das im Dezember 2004 auf 150.000 Soldaten erhöht wurde, stellen die von den Privaten Militärdienstleistern gestellten Truppen die zweitstärkste "Armee" im Irak. Laut Angaben der Eigentümer der PMC Custer Battles sind über 30.000 Beschäftigte von PMCs im Irak tätig. Schon bei der Invasion im März wurden viele der hochentwickelten Waffensysteme auf den Kriegsschiffen im Golf von Spezialisten vier verschiedener PMCs bedient. Im Irak obliegt es Mitarbeitern von PMCs, Patrouille zu laufen, Gebäude und Infrastruktur zu bewachen und sogar für irakische sowie US-Vertreter die Leibwachen zu stellen. Selbst das Personal in den irakischen Militärgefängnissen stammt von privaten Sicherheitsdiensten. So waren auch Mitarbeiter der privaten Sicherheitsdienste Caci und Titan in die Fälle von Folter im Abu-Ghraib-Gefängnis bei Bagdad verstrickt. Aber auch Privatunternehmen greifen im Irak auf die Dienste von PMCs zurück.

Die PMCs hören die Bezeichnung "inoffizielle Armee" nicht gerne. Sie nennen sich lieber Private Guards, Risk Manager, Security Assistants oder ähnliches, die keinesfalls die regulären Soldaten ersetzen, sondern "Sicherheitsaufgaben" wahrnehmen und nur zu ihrer Verteidigung militärisch agieren. Die Realität sieht freilich anders aus. Gemäß der Strategie der Truppen der "Koalition de Willigen", die sich im Wesentlichen in Militärcamps verschanzt halten und hin und wieder Luftbombardements oder massive "Strafexpeditionen" mit großem Militäraufgebot in Städte und Stadtviertel unternehmen, die nicht gemäß ihrer Vorstellungen agieren, ist die Rolle der PMCs immer stärker gewachsen und ihre Tätigkeit riskanter geworden.

Viele der in Medien und US-Erklärungen als "Zivilisten" benannten Opfer von Anschlägen, Angriffen und Entführungen, sind nur formal Zivilisten. In Wahrheit handelt es sich um Angehörige verschiedenster Militärischer Dienstleister, eigentlich schlichtweg moderne Söldner, die in einem kriegerischen Konflikt auf einer Seite agieren. Insgesamt kann daher angenommen werden, dass die Gesamtanzahl der im Irak gefallenen PMC-Mitarbeiter sogar höher liegen könnte, als die der 1.280 (Dezember 2004) gefallenen US-Soldaten. Die Zahl festzustellen ist allerdings äußerst schwer. Weder die militärischen Auseinandersetzungen, in die PMCs verwickelt sind, noch ihre Angestellten, die im Irak ums Leben kommen, tauchen in den Sta-tistiken des US-Militärs auf.

Von 1994 bis 2004 unterzeichnete allein die US-Regierung über 3.000 Verträge mit Privatunternehmen für Dienstleistungen für Truppen im Auslandseinsatz. Gemäß eines am 29. Juli 2004 veröffentlichten Untersuchungsberichtes des Centre for Public Integrity (Washington) wurden für die "Größere Irak-Kampagne" (Afghanistan und Zentralasien mit eingeschlossen) von der US-Regierung Aufträge an 150 US-PMCs mit einem Gesamtvolumen von 48,7 Mrd. US-$ vergeben. Bedenklich ist auch das weitgehende Outsourcing von Militäraufgaben in den USA selbst. So stellen drei PMCs Experten für die Ausarbeitung des neuen US-amerikanischen Verteidigungshaushaltes.

Ein ökonomischer Vorteil durch das Outsourcing der Militäraufgaben, wie oft behauptet, wurde bisher nicht nachgewiesen. Die bekannt gewordenen Fälle zeugen eher vom Gegenteil (siehe etwa den Vertrag zwischen KBR und Halliburton und die gefälschten Rechnungen, mit denen dem Pentagon ein überhöhter Benzinpreis abverlangt wurde). Und schließlich bezahlen die Staaten, allen voran die USA, den PMCs unglaubliche Summen, während zugleich die teure Ausbildung auf ihre Rechnung geht.

Anstatt einer Kostenersparnis dient das "Outsourcing" vielmehr einerseits gemäß der neuen Militärdoktrin dazu, mehrere große Kriege / Konfrontationen gleichzeitig bestehen zu können und andererseits Militäreingriffe der öffentlichen Kontrolle zu entziehen, "Geheimoperationen" durchführen zu können, offizielle Opferzahlen auf der eigenen Seite "niedrig" zu halten (da die PMC-Mitarbeiter nicht in den Gefallenen- oder Verwundetenstatistiken auftauchen) und nicht zuletzt auch Gesetze und internationale Abkommen umgehen zu können (so wie beim Auftrag an MPRI im Jugoslawien-Krieg die kroatisch-muslimischen Truppen in Bosnien in Umgehung eines Waffenembargos auszubilden und mit Waffen zu versorgen). Zugleich werden damit auch militärische Standards und Normen verbreitet, die militärische Kooperationen und Bündnisse vereinfachen. In den 90er Jahren bildeten über Kooperationsabkommen mit den USA US-PMCs Armeen von über 40 Ländern aus.

Ein weiterer "Vorteil" der Nutzung von PMCs ist der faktisch rechtsfreie Raum, in dem diese agieren. Da die PMCs keine Militärs sind, können sie auch nicht der Militärjustiz unterworfen werden. Sie müssten als Zivilisten eigentlich dem lokalen Zivilrecht unterworfen sein. Das ist aber in den meisten Einsatzgebieten entweder kaum existent oder nicht an einer Verurteilung interessiert. Häufig pochen PMCs bei ihren Verträgen auch auf eine fest gelegte Straffreiheit.