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Katharina Hoffmann

Marinerüstungsprojekte im Kontext von technischer Faszination, Modernität und Terror: Der ehemalige U-Bootbunker 'Valentin' in Bremen-Farge (1943-1945)

Im Norden Bremens findet sich eine der größten Rüstungsruinen des Nationalsozialismus. Mit einer Grundfläche von mehreren 10.000 qm und der Bauhöhe eines ca. achtstöckigen Hauses ragen die Überreste des Bunkers aus der idyllisch anmutenden Flusslandschaft der Unterweser hervor. Ein Teil der Anlage wird seit den 1960er Jahren von der Bundesmarine als Depot genutzt. Dieses wird bis 2010 aufgelöst und somit hat gegenwärtig eine intensive Diskussion um zukünftige Nutzungskonzepte begonnen. Der andere Teil des Bunkers ist bei den Bombardierungen bei Kriegsende und vor allem aufgrund der anschließenden Bombenabwürfe der Alliierten zu Übungszwecken beschädigt worden.

National aber auch international erhielt der Bunker zuletzt Aufmerksamkeit durch die Aufführung der "Letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus in der Inszenierung von Johann Kresnik im beschädigten Teil der Anlage. Aber schon seit den 1980er Jahren gibt es verschiedene erinnerungspolitische Aktivitäten. Gegenwärtig laufen konkrete Vorbereitungen für die Einrichtung eines "Gedächtnisorts", der exemplarisch die Bedingungsfaktoren und Praxis der Marinerüstung während der letzten Herrschaftsphase des Nationalsozialismus aufzeigen will.

Der Bremer Bunker mit dem Tarnnahmen 'Valentin' ist der größte jemals in Deutschland errichtete U-Bootbunker und der zweitgrößte in Europa. Dort sollte in der Endphase des Nationalsozialismus eine auf höchstem technischem Niveau basierende Endmontagewerft des Bremer Vulkan für den neuen U-Boottyp XXI eingerichtet werden. Dieses Großbauprojekt der Marine war ein zentraler Bestandteil der von Admiral Karl Dönitz ausgearbeiteten Strategie des "totalen U-Bootkrieges". Diese hoffte nach den Verlustzahlen ab Herbst 1942 mit der verstärkten Produktion und Neuentwicklung von U-Booten eine Kriegswende herbeiführen zu können. Angesichts der zunehmenden Luftangriffe gehörte damit auch die Verbunkerung der Werften zum Programm. Neben Bremen waren Hamburg und Danzig die zentralen Standorte der Endmontagewerften für die im so genannten Taktverfahren montierten zuvor an verschiedenen Orten vorgefertigten und ausgestatteten Einzelsektionen der neuen U-Boottypen.

Aber nicht allein die Entwicklung und Produktion der U-Boote, sondern auch die Planung und Durchführung der gigantischen Betonbauten basierten auf modernsten Verfahren. Damals ließen sich Akteure und Zuschauer für diese Projekte begeistern und auch heute noch stellen sie ein Faszinosum und eine Inspirationsquelle für verschiedene Gruppen dar oder finden als Architektur einer funktionalen Ästhetik Beachtung. Aus dem Blickpunkt gerät dabei sowohl die darin eingewobene negative Zielsetzung und Praxis, die nationalsozialistische Beherrschung Europas, als auch die Realisierung des Projekts auf der Grundlage rassistischer Arbeitsverhältnisse. Im Unterschied zu diesen, vom kriegsgeschichtlichen und ideologischen Kontext losgelösten Perspektiven wird heute zudem das Relikt des Bunkers als Mahnmal einer "Vernichtung durch Arbeit" vereindeutigt. Erstaunte Reaktionen heutiger Betrachter über die gigantischen Ausmaße des Kolosses erscheinen auf der Grundlage dieser Deutung als suspekte, politisch problematische, die es zu korrigieren gilt. Eine Diskussion über die "Ambivalenz der Moderne im Nationalsozialismus" wird in diesem Zusammenhang als zweitrangig, wenn nicht sogar als unwichtig angesehen.

In meinem Vortrag zur Rüstungsruine möchte ich insbesondere eingehen auf:

1.
die Spannbreite der heutigen Perspektiven: der Bunker als markantes Exemplar innovativer Betonbaukunst oder/ und ein Mahnmal als Erinnerung an die Leiden der Zwangsarbeiter;
2.
die Zielsetzungen und Grundprinzipien der gegenwärtigen Arbeiten für den "Gedächtnisort ehemaliger U-Bootbunker 'Valentin" im Spektrum der Erinnerungsorte zum Nationalsozialismus