004.png

Günther Luxbacher

Blockadebrecher? Der Reichsforschungsrat und die deutsche Rohstoffabhängigkeit

Der Zugang zu industriellen Rohstoffen stellt einen wesentlichen machtpolitischen Faktor dar. Industriestaaten mit Zugang zu kostengünstigen, ausreichenden und jederzeit zugriffsbereiten Rohstoffen verfügten über einen klaren handels- wie machtpolitischen Vorsprung gegenüber allen anderen. Dies bedeutete für die rohstoffarmen Staaten zusätzliche Kompensationsan-strengungen im industriellen Wettbewerb (Naturfarben, Chilesalpeter).

Andererseits ließen Kriege die industrielle Leistungsfähigkeit eines Staates auch zu einem zentralen machtpolitischen Kriterium werden. Daher wurde die Blockade strategisch bedeutsamer Roh- und Werkstoffe in den Rang einer erstklassigen militärischen Strategie erhoben. Vorrangig jene Kriegsteilnehmer, welche die Welt-Rohstoffmärkte dominierten, setzten eingeübte handelspolitische Vorgänge mit machtpolitischen Mitteln außer Kraft. Die rohstoffarmen und weltmarktferneren Kriegsteilnehmer mussten nun Ersatz für ausbleibende Lieferungen schaffen, wollten sie weiter in den "Materialschlachten" bestehen. Als Gegenmaßnahmen boten sich die Suche nach neuen Handelspartnern sowie Kontingentierungen durch staatliche Kriegsrohstoff-Gesellschaften an. Diese anerkannten die strategische Bedeutung der naturwissenschaftlich-technischen Forschung als dritten Weg der Kompensation. Unter diesem kriegswirtschaftlichen Gesichtspunkt setzte ein selektiver Um- und Ausbau des nationalen Innovationssystems ein, der sowohl die private wie die (halb)staatliche Forschung betraf. Dieser Umbau dauerte mindestens bis in die zwanziger Jahre hinein an. Auch in vielen von der 1920 gegründeten öffentlich-rechtlichen Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft (NG/später DFG) geförderten Arbeiten spielte die nationale Vorsorge gegen allzu große Rohstoffabhängigkeit, wie in anderen Ländern auch, eine gewisse Rolle. Insbesondere metallphysikalische, geophysikalische (Neuaufschlüsse), aber auch chemische Arbeiten schienen von großer Bedeutung. Doch parallel dazu zeichnete sich ein allmählicher Anschluß an die international als volkswirtschaftlich wichtig erkannte Werkstoff-Forschung abseits rüstungstechnischer Überlegungen ab. Die Hinwendung zur erneuten krisenbedingten Ersatzstoff-Forschung vollzog sich dann schrittweise ab der Weltwirtschaftkrise.