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Medien der Wissenschafts- und Technikkommunikation

Tobias Heinrich Duncker

Bilder erfahren in der gegenwärtigen wissenschaftshistorischen und wissenschaftstheoretischen
Forschung starke Beachtung; ob in Physik, Chemie oder Biowissenschaften, die originäre
Leistung visueller Repräsentationen bei der Genese und (öffentlichen) Inszenierung von
Erkenntnis wird neuerdings immer intensiver in den Blick genommen. Dabei spielt die
Abhängigkeit verschiedener Bildtypen von den Bedingungen ihrer technischen Erzeugung in den
bisherigen Untersuchungen zum Thema durchaus eine Rolle; gerade auf einem in dieser Hinsicht
besonders aufschlussreichen Wissenschaftsfeld ist jedoch das Zusammenspiel von Technik,
Erkenntnis und Kommunikation noch nicht sehr präzise erfasst worden: Die derzeit methodisch
von der sog. „funktionellen Bildgebung“ (fMRT u.a.) dominierte Neurobiologie hat sich in den
Kontext einer Technik begeben, die von den meisten der vorwiegend biomedizinisch
ausgebildeten Hirnforscher in der Regel nicht mehr produktiv kontrolliert werden kann. Der von
den apparativ hervorgebrachten Bildern nahegelegte Gedanke, in der Verbindung von
lokalisatorischem und funktionellem Zugriff werde eine Perspektive auf das Gehirn als aktive
Ganzheit eröffnet, kann deshalb häufig nicht mehr ausreichend kritisch befragt werden. Wie
kaum ein anderes Wissenschaftsgebiet ist allerdings gerade die Neurobiologie auf methodische
Reflektiertheit ihres Bildbezugs angewiesen, verspricht sie sich doch von der technisch
vermittelten Visualisierung physiologischer Prozesse überhaupt erst tragfähige Hinweise auf die
hochkomplexen und nach wie vor wenig verstandenen Muster cerebraler
Informationsverarbeitung und mentaler Repräsentation. Insofern scheint die genaue Beachtung
des Zusammenhangs von technisch vorgeprägter Bildlichkeit und neurobiologischer
Bildverwertung ein zentrales Gebot wissenschaftlicher Selbstbesinnung, dem nachzukommen
einiges an methodischer Sensibilität verlangt. Angesichts dessen wird freilich die Frage virulent,
nach welchen Prinzipien sich der öffentliche Umgang mit den in den Medien vielbeachteten
Zwischenergebnissen neurowissenschaftlicher Forschung, und d.h. immer wieder auch: mit den
Resultaten technischer Bildproduktion vollzieht und auf welche Weise sich die in der
Öffentlichkeit zum Teil recht präsenten Vertreter der Hirnforschung (z.B. Singer, Roth, Newberg,
Libet)(2) im Spannungsfeld zwischen unverzichtbarem wissenschaftlichen Anspruch und
einprägsamen technischen Bildwelten bewegen – insbesondere dann, wenn brisante, über den
Horizont des eigenen Arbeitsfeldes hinaus weisende Probleme wie Willensfreiheit oder personale
Identität zur Debatte stehen.

Eben diesen Fragen möchte der hier vorgeschlagene Vortrag nachgehen, und zwar, indem er sich
auf die Beschäftigung mit dem folgenden Teilaspekt konzentriert: Es besteht eine auffallende,
schon äußerlich erkennbare Diskrepanz zwischen solchen Texten, in denen Neurobiologen die
Ergebnisse und Deutungen ihrer Experimente selbst zusammenfassend in die Öffentlichkeit
tragen und Darstellungen, in denen (Wissenschafts)Journalisten oder professionelle
Sachbuchautoren sich derselben Gegenstände annehmen: Auch wenn die Wissenschaftler ihre
häufig umstrittenen Thesen zum Teil ebenso plakativ und wirkungsorientiert vortragen wie die
medialen Wissenschaftsvermittler, verzichten sie – anders als die Letztgenannten – in ihren auf
ein größeres Publikum zielenden Publikationen oftmals auf den extensiven Gebrauch der
markanten Erzeugnisse funktioneller Bildgebung. Dadurch kommt es zu einer Spaltung im
populären Diskurs über die zeitgenössische Neurobiologie: Einer insbesondere in weit
verbreiteten, einschlägigen Zeitschriften (wie „Gehirn und Geist“) vorherrschenden Tendenz, die
Möglichkeiten der technischen Transformation physiologischer Abläufe in scheinbar
selbsterklärende, gewissermaßen epistemisch autarke Bilder intensiv zu nutzen, steht eine eher abstrakte, logozentrische Rhetorik in den Monographien der Hirnforscher selbst gegenüber, die
allerdings mit dem Ausmaß des Bildgebrauchs in den zu Grunde liegenden wissenschaftlichen
Publikationen nicht unbedingt zusammenstimmt. Da nun wiederum die meisten der bekannten
Neurobiologen in den erwähnten Magazinen durchaus auch selbst zu Wort kommen (in
Interviews oder Artikeln), ergibt sich insgesamt ein auf den ersten Blick recht komplizierter
Befund. Im projektierten Vortrag soll darum der unterschiedliche Rekurs auf Neurobiologie,
deren technisch vermittelte Erschließung sowie die dabei erzeugte Bilderflut im Vergleich
zwischen zwei beispielhaften, breit rezipierten Produkten öffentlicher
Wissenschaftskommunikation (Zeitschriftennummer bzw. thematisch ähnlich ausgerichtete
Monographie aus der Feder eines prominenten Hirnforschers) profiliert und in seiner
systematischen, nicht zuletzt auch erkenntnistheoretischen Bedeutung gekennzeichnet werden;
dabei wird dem Rollenwechsel des Neurobiologen sowie den daraus für seine öffentliche
Botschaft sich ergebenden Konsequenzen besondere Aufmerksamkeit zuteil werden.

(2) Diese exemplarisch genannten Forscher sind durch zahlreiche Bücher, Interviews, Vorträge,
Zeitschriftenartikel usw., die sich an ein breiteres Publikum richten, über den eigentlichen
Wissenschaftsdiskurs hinaus z.T. international bekannt geworden.