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Theorie oder Praxis? Mineralogie an der Bergakademie Schemnitz im 18. Jahrhundert

Mariann Juha

Das historische Ungarn galt als eines der an Bergwerken reichsten Länder
Europas. Unter anderem wegen dieser natürlichen Gegebenheit konnte sich
die Mineralogie hier auf verschiedenen Ebenen entwickeln. Nach der
Wiederherstellung der politischen und wirtschaftlichen Stabilität, also
erst siebzehn Jahre nach dem Possarawatzer (heute: Požarevac) Frieden
(1718), wurde von Kaiser KARL VI. eine Bergschule 1735 in Schemnitz
(heute: Banská Štiavnica) eingerichtet, die zum ersten Mal die
Möglichkeit bot, auf ungarischem Boden praktische und dadurch tiefere
Kenntnisse über Mineralien zu erwerben.

Existierte eigentlich die Mineralogie schon damals als Wissenschaft, und
wenn ja, hatte sie dann eine wissenschaftliche Verknüpfung mit dem
Bergbau, oder war sie nur reine Wiederholung bereits existierender
Kenntnisse? Die Verbreitung und Etablierung der schon seit der Antike
behandelten Steinkunde mit den neuen, meistens von
bergwerkswissenschaftlicher Praxis stammenden Beobachtungen, konnte am
besten im Zusammenhang mit der Ausbildung von Fachleuten für den Bergbau
verwirklicht werden. Die Lehre basierte hier auf der neuesten
Fachliteratur und ab der zweiten Hälfte des Jahrhunderts auf von vor Ort
in Schemnitz tätigen Professoren verfassten Lehrbüchern. Außerdem
führten die chemisch-physikalischen Untersuchungen, Beobachtungen,
Analysen zu einem immer weiteren Verständnis des Aufbaus und des Systems
der Mineralien. Die Professionalisierung, das Sammeln nach
wissenschaftlichen Grundsätzen gewann eine immer größere Bedeutung im
Fachbereich. Nur auf diese Weise konnte eine unter anderem in
mineralogischer Hinsicht so bedeutende, auf internationaler Ebene
wirkende Lehranstalt festen Fuß fassen und europaweit anerkannte
Mineralogen anziehen. Wissenschaftler, wie Nicolaus Joseph Freiherr von
JACQUIN, Johann Anton SCOPOLI oder Christoph Traugott DELIUS, die an der
Akademie als Professoren direkt nach der Gründung tätig waren, hatten
hier die besten Möglichkeiten, ihre Theorien wissenschaftlich
abzusichern und dadurch eine glänzende Laufbahn zu durchlaufen. In
Schemnitz konnte das theoretische Wissen sich mit der Praxis vereinen
und in diesem außerordentlichen Milieu zahlreiche Fortschritte in der
Montanistik und in den Naturwissenschaften verwirklichen. Die
Mineralogie als lebendige Wissenschaft und nicht nur als Tradierung
hergebrachter Kenntnisse konnte besonders in diesem Feld Epoche machen.

Nach langjähriger Tätigkeit sollte die Bergakademie 1919 die alte
Bergstadt verlassen. Das neue Zuhause der ehemaligen Bergakademie
befindet sich heute in Miskolc (Ungarn). Hier leben der Schemnitzer
Geist und die Traditionen der Fakultät für technische Erdwissenschaften
weiter.