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Heinrich Lang

Technologisches Wissen und Transfer. Die Scuola für metallurgische Wissenschaften des Benedetto Nicolis Di Robilant aufgrund einer Reise nach Sachsen im Auftrag Königs Carlo Emanueles III. von Piemont-Savoyen in der Mitte des 18. Jahrhunderts

Thema des Vortrags ist die Entwicklung der königlichen Schulen in Turin
auf der Basis des Berichtes, den Benedetto Nicolis Di Robilant während
seiner Reise nach Sachsen und Böhmen zwischen 1749-52 verfasste. Ziel
dieses Vortrags ist die Verbindung der Zentralperspektive
reformorientierten Regierungshandelns des sich wissenschaftlich
fundierenden, bürokratischen Staates im "aufgeklärten Absolutismus" mit
der kulturhistorischen Analyse der Konstruktion eines an Anwendung
ausgerichteten Wissensfeldes der Metallurgie durch elitäre Kreise im
Italien des 18. Jahrhunderts.

Unter König Carlo Emanuele III. von Piemont-Savoyen (1701-1773, reg. ab
1730) und seinem ersten Minister Giambattista Bogino wurden große
Reformvorhaben zur Entwicklung der Regionalmacht Piemont-Savoyen
durchgeführt. Nach dem Ende des Österreichischen Erbfolgekriegs setzte
Carlo Emanuele den durch seinen Vater, Vittorio Amedeo II., begonnenen
Staatsumbau im Zeichen des "Triumphes der Bürokratie" fort. Eine der
führenden Figuren des angestrebten Wandels eines kriselnden Staatswesens
war sein Außenminister conte Carlo Baldassarre Francesco Perrone di San
Martino (1718-1802), der als Diplomat zwischen 1745 und 1749 eine
Mission nach Polen, Preußen, Russland, Dänemark und Schweden unternahm.
Die Beschreibung der besuchten Länder regte Perrone an, eine Denkschrift
zur ökonomischen sowie technologischen Erneuerung von Piemont-Savoyen
und dem hinzugewonnenen Sardinien zu verfassen. Francesco Perrone,
dessen Familie selbst eine Kupfermine besaß, sandte im Namen des Königs
den Adligen und Artillerieexperte Benedetto Nicolis Di Robilant mit vier
Kadetten der Artillerie-Schule auf eine Erkundungsreise nach Sachsen.
Denn neben dem Ausbau des Seidenexports, den er durch den
Wissenstransfer über Webtechniken vorantreiben wollte, schlug Perrone
die Entwicklung von Kompetenzen zur Nutzung des Kupferbergbaus vor.

Zwischen 1749 und 1752 bereiste Di Robilant Sachsen und Böhmen,
insbesondere Freiberg und Leipzig, um die Techniken des Bergbaues und
die Verwertung von Kupfer eingehend zu studieren und das entsprechende
Wissen nach Piemont-Savoyen zu transferieren. Bis dahin mussten zur
Ausbeutung der vorhandenen Kupferminen Experten aus Sachsen und
Bergleute aus dem Königtum Hannover über die Alpen geholt werden.
Wichtigster Untersuchungsgegenstand des Vortrags ist die mehrbändige
Scuola, die Robilant verfasst hat: In ihr nimmt er eine
geographisch-topographische Beschreibung Sachsens ("Sassonia minerale")
vor, breitet die metallurgische Wissenschaft und ihre praktischen
Anwendungsfelder, vor allem im militärischen Bereich, aus. Ein Teil
seines Werkes besteht aus der Übersetzung deutscher Wissenschaftstexte
ins Italienische. Daher werden neben Anlass der Reise und Rezeption
dieses Werkes bei der Errichtung der königlichen Schulen unter Vittorio
Amedeo III. in den 1780er Jahren auch die Beobachtungskategorien seines
Verfassers mit dem Interesse seiner Auftraggeber konfrontiert.