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Public Access Defibrillation

Constantin Canavas

Das Expertenwisssen in Zusammenhang mit einer wirksamen Behandlung von Kreislaufstillstand infolge von Herzkammerflimmern (Fibrillation) hat seit langem auf die Bedeutung einer möglichst umgehenden Applikation elektrischer Impulse aus einem Defibrillator hingewiesen. Die Inanspruchnahme dieser Technik zur Behandlung akuter Herzrhythmusstörungen möglichst unmittelbar beim Auftreten des ursächlichen Flimmerns legte den Bedarf einer doppelten Verlagerung nahe. Zum einen sollte der Patient out of hospital defibrilliert werden können. Dieser Bedarf motivierte die Entwicklung externer Defibrillatoren, die bei Noteinsätzen durch medizinisch geschultes Personal verwendet werden. Seit ca. 1980 werden auch automatische externe Defibrillatoren (AED) entwickelt, mit deren Hilfe die Defibrillation auch durch medizinische Laien möglich sein soll (Public Access Defibrillators, PAD). Diese Geräte sollen autonom an Orten mit hohem Publikumsaufkommen (z.B. Flughäfen, Einkaufszentren, Sporthallen) bzw. mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit von Herzflimmernfällen (z.B. Seniorenheimen) installiert werden und für den Notfall stets und jedem zugänglich sein. Ein wesentliches Merkmal ist die automatische Anleitung durch Sprachtonbefehle für den Anwender.

Während das dazugehörige medizinisch-technische Wissen in der inneren Funktionalität der Geräte eingekapselt wurde, entwickelte man für die Handhabung der Geräte verschiedene Konzepte, welche sich von einander durch die Annahme über das antizipierte Nutzerwissen unterscheiden. Zunächst dominierte die Vorstellung einer „kinderleichten“ Ausführung, für deren Nutzung keinerlei Vorwissen des Anwenders vorausgesetzt wird. Denkbare und vorgekommene Probleme bei der Handhabung veranlassten die Rettungsdienste, die Vermittlung eines Basiswissens nach dem Vorbild der Rettungssanitäter vorzuschlagen und entsprechende Lehrmodule zu entwickeln. Aus der Sicht der potentiellen Auftraggeber (Kommunen, Sporthallenbetreiber, Verkehrsvereine) wurde zunehmend auf den Umstand hingewiesen, dass für die Entscheidung zum Griff nach einem PAD und zu dessen Einsatz, neben Wissen, auch eine erfahrungsbasierte Entschlossenheit, vielleicht sogar eine öffentlich legitimierende Kennzeichnung notwendig wären. Dies grenzte weiter den Kreis der potentiellen Anwender auf speziell geschultes und öffentlich erkennbares Personal (z.B. Bahnfahrer, Sicherheitsdienst) ein. Schließlich meldeten sich auch die traditionell für die Notfallmedizin verantwortlichen Ärzte und forderten (medizinisches) Wissen, Maßnahmen und Regeln zurück, die durch die doppelte Auslagerung verdrängt werden. Zur Zeit sind alle o.g. Wissensformen durch die verschiedenen, z.T. miteinander konkurrierenden Akteure vertreten. Die relative Gewichtung von Fachwissen und Praxiserfahrung wird unter den Bedingungen der aktuellen Weiterentwicklungen und Entscheidungsprozesse ausgehandelt.