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Unternehmen mit hölzernem Gepräge. Papierfabriken und das Wissen über

Mathias Mutz

Die Ressource Wissen ist als Produktionsfaktor in den letzten Jahren
immer stärker ins Bewusstsein von Unternehmen gerückt. Das Management
von Wissen ist aber eine Grundkonstante ökonomischen Handelns, die
allerdings in zeitspezifischen Formen und Ausprägungen zu Tage tritt.
Insofern ist der Blick auf zugrundeliegende Organisationsformen von
Wissen wesentlich für das Verständnis der Funktionslogik und
Entwicklungsdynamik wirtschaftlicher Prozesse. Wissen erscheint dabei
als äußerst komplexes Phänomen: Einerseits lässt sich zwischen
technischem, operativem und unternehmerischem Wissen unterscheiden,
andererseits ist von der Wissenssoziologie die zentrale Bedeutung
nicht-expliziter Wissensformen herausgearbeitet worden. Kategorien wie
"implizites Wissen" oder "lokales Wissen" sind jedoch schwierig greifbar
zu machen. Für die Betrachtung sich verändernder Beziehungen
unterschiedlicher Wissenstypen stellt die Papierfabrikation deshalb ein
besonderes Beispiel dar. Die Industrialisierung war hier mit einem
radikalen Wandel der Rohstoffgrundlage verbunden und machte den Aufbau
völlig neuer Wissensbestände notwendig. Während frühneuzeitliche
Papiermühlen ausschließlich Lumpen verarbeiteten, setzte sich nach der
Entwicklung des Holzschliffverfahrens und der Zellstoffproduktion im 19.
Jahrhundert innerhalb weniger Jahrzehnte Holz als Hauptrohstoff durch.

Ausgehend von der "Objektivität" des Holzes, also seinen stofflichen
Eigenschaften, und ihrer Bedeutung für technische und organisatorische
Prozesse, können unterschiedliche Strategien des Erwerbs und der
Organisation von Wissen im Unternehmen herausgearbeitet werden. Da sich
aufgrund von Faserlänge oder Harzgehalt nur bestimmte Holzarten
verwenden ließen, stellten naturale Gegebenheiten ebenso eine
Herausforderung dar wie die Integration in bereits etablierte Praktiken
des Holzhandels. Während die Anfangsphase durch die experimentelle
Tätigkeit einzelner Unternehmer geprägt war, kam es im ausgehenden 19.
Jahrhundert zu einer Standardisierung von Verfahren, zu einer Fixierung
des relevanten Wissens in Zeitschriftenartikeln und Fachbüchern und zur
Etablierung spezieller Ausbildungsgänge an Gewerbe- und Hochschulen.
Dabei wurde erworbenes Wissen explizit gemacht, während gleichzeitig
neues implizites Wissen produziert wurde, indem es zu einer zunehmenden
Verschränkung von Papiertechnik und Forstwirtschaft kam. Diese
Strukturen schufen Pfadabhängigkeiten, die in der Papierindustrie bis
heute Ressourcennutzung, organisatorische Entwicklung und
Wissensmanagement prägen.