002.png

Technik – Medium – Wissensgeschichte. Über die frühen Telefonvermittlungen

Sebastian Gießmann

Keine Frage: Wissensgeschichte liegt im Trend. Und zwar nicht erst, seitdem in Deutschland die Wissensgesellschaft ausgerufen worden ist. Als »history of knowledge« oder aber »histoire du savoir« wird international seit den 1960er Jahren die Frage nach den anderen, eben nicht wissenschaftlichen Formen des Wissens gestellt. Egal, ob man dabei Michael Polanyis Begriff des impliziten Wissens stark macht oder aber auf der Spur von Michel Foucault und Jaques Rancière die Frage nach den Gesetzmäßigkeiten und der Poetik einer Wissensordnung stellt – es fehlt bisher ein Konsens darüber, welches Wissen zu welchem Zweck erforscht werden soll. Ein Beispiel: Religiöse Strukturen der Generierung und Nutzung von Techniken sind fundamental für technisches wie technologisches Beherrschen von Welt. Wenn man davon ausgeht, dass es sowohl religiöses Wissen wie technisches Wissen gibt, wie erklärt man die Korrelation beider?

Die Frage nach dem in Technik und Kulturtechniken eingelassenen Wissen und dessen Hervorbringung, Nutzung, Aneignung und Transformation im sozialen Gebrauch muss sich auf plurale, kontingente Formen des Wissens einlassen. Der Wunsch und die Notwendigkeit technischer Naturbeherrschung, körpernahe wie fernsteuernde technische Gesten, kollektive Planung technischer Regulierung und hochtechnisisierter Entwurf schließen sich nicht aus, sondern bedingen sich gegenseitig und gleichzeitig.

Mein Interesse gilt dabei einer Kultur- und Mediengeschichte des Netzwerk-Wissens. Gleichzeitig materiell wie symbolisch, sind Netze und Netzwerke quer durch alle Praxis- und Wissensfelder eine, wenn nicht die dominierende Kulturtechnik der Moderne geworden. Die aktuelle Konjunktur des vernetzten Wissens und der Analyse von Akteursnetzwerken setzt aber historische Formen eines »network knowledge« voraus. Im Rahmen des Vortrags werde ich anhand der frühen Telefonvermittlung versuchen, die oben skizzierten Dimensionen des Verhältnisses von Technik und Wissen am Beispiel von Handvermittlung wie Selbstwahl fruchtbar zu machen.

Im Mittelpunkt stehen dabei die ersten automatischen Telefonvermittlungen und insbesondere Almon B. Strowgers Selbstwählapparate der 1890er Jahre – bis hin zu den ersten Wählscheiben. Der Transfer/Nicht-Transfer zwischen dem »tacit knowledge« der Vernetzung von Hand und dem Ringen um eine Automatisierung des Wahlverfahrens lässt sich anhand eines prototypischen Netz-Dings schlechthin zeigen: dem switchboard.