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Nicole C. Karafyllis

Technikgeschichte im Austausch mit der Philosophie: Anknüpfungspunkte und gegenseitige Befruchtungsmöglichkeiten

Auf ihre Anschlussfähigkeit hin befragt, ergeben sich hinsichtlich der Philosophie und auch Soziologie viele Berührungspunkte v.a. dann, wenn Technikgeschichte sich als umfassendere Technisierungsgeschichte begreift. Der Technikbegriff meint dann nicht mehr nur das Artefakt, das in Kontexte implementiert verstanden wird, sondern umfaßt auch die Genesekontexte, d.h. die Frage, warum welche Techniken entstehen konnten und, in einem imaginären Zukunftsentwurf, möglicherweise entstehen könnten. Technisierung meint hier sowohl die Verschränkung von Wissen und Apparaturen wie von instrumentellen Mitteln und zweckorientierten Handlungen. Insbesondere die Medizin-, Agrar- und Biologiegeschichte hat sich diesem Verständnis mit einem neuen Fokus auf Materialität und Apparatur in den letzten Jahren auf konstruktive Weise angenähert, wohingegen die Technikfolgenabschätzung (in Deutschland) weitgehend noch ohne historisches Wissen auszukommen scheint und Zukunftsentwürfe simuliert, die quasi im „luftleeren Geschichtsraum“ hängen.

„Technik“ würde für eine breitere Anbindung mindestens 4-fach verstanden werden: als Artefakt, als Mittel/Medium, als Handlung, und als Wissen.

Artefakt: Hier problematisiert sich in erster Linie das Verhältnis zum Biofakt, d.h. inwieweit Lebendiges und Natürliches methodische Voraussetzung und Erscheinung des Technischen bestimm(t)en.
Mittel/Medium: Hier ergibt sich ein Anschluß zur Frage nach der Sichtbarkeit/Unsichtbarkeit von stabilisierenden Medien der Technisierung und der Repräsentation von „Technik“ im historischen Wandel.
Handlung: Anschlußfähig wäre hier die Foucault’sche (aber auch schon Max Weber’sche) Idee der Selbsttechnologien, die zu einer Disziplinierung, Rationalisierung und Erweiterung („enhancement“) des Subjekts führen können.
Wissen: Der ohnehin schon bestehende Schulterschluß zur Wissenschaftsgeschichte könnte zu einer möglichen Erweiterung mit der Wissenschaftsphilosophie und –soziologie beitragen, die sich z.B. Fragen nach der Unterscheidung von Wissen und Nichtwissen und deren methodischer Verfaßtheit widmet. Auch ein Anschluß an die Kulturphilosophie wäre über das Konzept der Symbolik von Technik (E. Cassirer) problemlos möglich, und damit eine wichtige Kontexterweiterung im Hinblick auf Interkulturalität.

Last but not least: Philosophie und Technikgeschichte könnten mit einem Hinweis auf „den Menschen“ und „den Techniker“ wichtige Erkenntnisse aus der Gendergeschichte erhalten und zu dieser beitragen.