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Helmuth Trischler

Entprovinzialisierung – Europäisierung und Globalisierung als methodisch-theoretische Herausforderungen für eine Technikgeschichte in transnationaler Perspektive

„Provincializing Europe“ hat Dipesh Chakrabarty sein im Jahr 2000 im Buchformat erschienenes Plädoyer für eine Globalgeschichte in postkolonialer Perspektive betitelt. Im Anschluss an Chakrabarty hat die schon seit den 1980er-Jahren laufende Debatte um angemessene Methoden und Theorien für eine Historisierung des Prozesses der Globalisierung an Dynamik gewonnen. Mittlerweile existieren auch im deutschsprachigen Raum zahlreiche Artikel, Sammelbände und Monografien, die einem Paradigmenwechsel von der klassischen Weltgeschichte zu einer neuen Globalgeschichte bzw. transnationalen Geschichte das Wort reden. Die historiografische Praxis sieht gerade in Deutschland freilich ganz anders aus. Von einer Entprovinzialisierung der Geschichtswissenschaften durch eine Provinzialisierung Europas in globalhistorischer Sicht kann allenfalls in Ansätzen die Rede sein.

Dieser Befund trifft gewiss auch auf die Technikgeschichte zu. Da muss es schon als wichtiger Schritt in Richtung einer Überwindung der nationalstaatlichen Engführung gewertet werden, dass nicht wenige deutschsprachige HistorikerInnen an dem seit 2000 laufenden Forschungsverbund „Tensions of Europe“ bzw. „Inventing Europe“ beteiligt sind. Europäisierung wird im Rahmen dieses Forschungsverbundes als ein spannungsreicher Prozess der Integration und Desintegration Europas im „langen“ 20. Jahrhundert analysiert, der sich durch die grenzüberschreitende Zirkulation von Wissen, Personen und Artefakten und die Nutzung technischer Infrastruktursysteme speist und damit nicht in erster Linie von der Politik „gemacht“ wird, sondern gleichsam aus der Gesellschaft heraus erwächst.

Der Vortrag skizziert erstens kurz die Forschungspraxis der technikgeschichtlichen Landschaft in Deutschland; zweitens diskutiert er die Frage, welche Impulse die laufenden Debatten um eine neue Globalgeschichte der Technikgeschichte vermitteln können. Drittens wirft er einen Blick auf „Inventing Europe“, das laufende Großprojekt einer Technikgeschichte Europas und dessen theoretische Konzeption als Ansatz für eine transnationale Ausweitung der Technikgeschichte.