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Hironori Matsuzaki

Die Entwicklung von humanoiden Robotern im Kulturvergleich – Europa und Japan. Eine wissenssoziologische Analyse der Grenzfragen der Mensch-Maschine-Beziehungen

Zumindest in Teilbereichen der Robotik stellt derzeit die Entwicklung autonomer Roboter ein zentrales Forschungsziel dar. Für die alltägliche Lebenswelt heißt das, dass der Kontakt mit solchen Techniken über kurz oder lang unvermeidlich sein wird. Der Einsatz selbstständig agierender Roboter in der Lebenswelt wird die Frage aufwerfen, wie mit diesen technischen Wesen umzugehen ist. Handelt es sich um bloß funktionierende Maschinen oder um etwas anderes? Besteht realistischerweise die Möglichkeit, dass Servicerobotern bzw. humanoiden Robotern der Status einer sozialen Person zuerkannt wird?

Der vorgesehene Beitrag will sich dieser Frage in einer kulturvergleichenden Perspektive nähern. Vorgestellt wird dabei eine wissenssoziologische Analyse der Entwicklungsrichtungen von humanoiden Robotern in Europa und Japan. Die beobachtungsleitende Annahme lautet wie folgt.

Die Gesellschaften europäischer Moderne, für die das Ethos der Menschenrechte, d. h. die normative und kognitive Sonderstellung des Menschen, von fundamentaler Bedeutung ist, halten an einer strikten Unterscheidung zwischen Mensch und Maschine fest. Es ist mit erheblichen Widerständen gegen eine neue Generation von Robotern zu rechnen, die – zumindest annähernd – die Eigenschaften sozialer Personen aufweisen können. In Gesellschaften, in denen die Besonderheiten des menschlichen Personseins nicht in der gleichen Weise historisch verankert sind, wird es dagegen eine größere Offenheit im Umgang mit humanoiden Robotern geben.

Wenn diese These zutrifft, wäre mit kulturellen Unterschieden zu rechnen, die bis in die technischen wie ästhetischen Dimension der Roboterentwicklung hineinreichen. Im europäischen Kontext lässt sich dies bereits an den aufkommenden ethischen Diskussionen beobachten, in denen vor einer unkontrollierten Grenzüberschreitung gewarnt wird. Dabei wird die Konzeptualisierung von Robotern, die die anthropologisch fundierte Mensch-Maschine-Differenz explizit in Frage stellt, als ein elementares Problem für die menschenzentrierten Gesellschaftsformen betrachtet. Solch ein ethisches Konfliktpotenzial der angewandten Robotik wird bislang in Japan kaum wahrgenommen. Die Rede ist vielmehr von der pragmatischen Zukunftsvision einer friedlichen Koexistenz mit künstlichen Humanoiden. Vor allem in der buddhistisch-shintoistischen egalitären Denktradition findet die Integration von Robotern in vielen Lebensbereichen Akzeptanz und scheint damit eine Bedeutungsverschiebung des sozialen Lebens zu erlauben.

Das robotische Forschungsfeld ist kein isolierter Praxisbereich einer Gesellschaft. Auch die Bestimmung der konkreten Forschungszwecke wird häufig durch die kulturell-historisch verankerten Werte und Normen initial beeinflusst. Da aber die Forschungsinstitute international über die genannten Kultur- und Gesellschaftsgrenzen hinweg stark vernetzt sind, müssen sowohl praktische Wissensaustausche auf internationaler Ebene als auch ihre jeweils lokale Umsetzung in die Analyse einbezogen werden.