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Standardisierung und Netzwerkeffekte im Verkehr

Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V., Frankfurt am Main
16.05.2008-17.05.2008, Nürnberg

Bericht von: Heike Baltes
E-Mail:

Die Initiatoren der Tagung gingen von folgenden Überlegungen aus:
Standardisierungsprozesse spielen eine zentrale Rolle für die
Entwicklung von Infrastrukturen, so auch in der Verkehrsentwicklung,
sowohl hinsichtlich der einzelnen Verkehrsträger als auch hinsichtlich
des intermodalen Verkehrs. Die Standardisierung ist als Typisierung,
Normierung und Vereinheitlichung auf drei ganz verschiedenen Ebenen zu
identifizieren: Erstens als Standardisierung der Fahrzeuge,
Infrastruktur, Frachteinheiten und Verwaltungs- und Betriebsabläufe,
zweitens als Anschlussfähigkeit, Kompatibilität und Grundlage vernetzter
Komplementarität und drittens als Markt- oder als staatliche
Regulierung. Dabei hat die Standardisierung als technische und
verwaltungs- resp. betriebsorganisatorische Maßnahme sowohl hinsichtlich
ihrer Voraussetzungen als auch hinsichtlich ihrer Folgen vielfältige
wirtschaftliche, soziale, politische, kulturelle und räumliche
Implikationen. Im Zentrum der Tagung stand vor allem der Zusammenhang
zwischen Standardisierungen und deren Netzwerkeffekten sowie den
wirtschaftlichen, räumlichen und kulturellen Wirkungen von
Standardisierungsprozessen. Zeitlich konzentrierte sich die Tagung auf
die letzten zwei Jahrhunderte bis in die Gegenwart.

In seinen einleitenden Bemerkungen wies der Leiter des Arbeitskreises
Verkehrsgeschichte, HANS-LIUDGER DIENEL (Technische Universität Berlin)
darauf hin, dass die Standardisierung für die Eisenbahnen, die Schiff-
und die Luftfahrt schon vermehrt ins Blickfeld entsprechender
Forschungen und Darstellungen gerückt sei, der Straßenverkehr aber noch
weitgehend ein Desiderat darstelle. Der Zeitpunkt für die Tagung sei
günstig, da Standardisierungsprozesse in jüngster Zeit vermehrt in den
Fokus der Forschung ganz unterschiedlicher Disziplinen rückten, nicht
zuletzt auch der Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte, wie das jüngst
begonnene DFG-Projekt zur Standardisierung und Integration von
Infrastrukturen an der Universität Siegen (Ambrosius, Henrich-Franke,
Neutsch, Thiemeyer) und der Technischen Universität Berlin (Dienel,
Schiefelbusch) zeige.

GEROLD AMBROSIUS (Universität Siegen) ging in seinem Referat über die
"Typen der Standardisierung" auf vier zentrale Fragen ein: Was bedeutet
Standardisierung? Warum kommt es zur Standardisierung? Wie verläuft
Standardisierung? Gibt es historische Standards der Standardisierung?
Angesichts der Tatsache, dass die Geschichtswissenschaft erst allmählich
das Thema der historischen Standardisierung entdecke, plädierte er für
eine möglichst offene Definition von Standardisierung. Ausgehend von der
Netzwerkökonomik legte er die Gründe dar, die aus der Sicht des
technisch-ökonomischen Rationalkalküls zur Standardisierung führten,
verwies aber zugleich auf soziale, politische oder kulturelle Ursachen
für Standardisierung. Die Verlaufsmuster oder Typen der Standardisierung
wurden festgemacht an der Art der Standards und der Art der
Entscheidungsverfahren, die sich beide gegenseitig beeinflussen.
Schließlich wies Ambrosius darauf hin, dass es die Aufgabe des
Historikers sei, konkrete technisch-ökonomische Standardisierungsfälle
in ihrem sozialen, politischen oder kulturellen Umfeld zu
rekonstruieren, dass darüber hinaus aber versucht werden sollte,
bestimmte Standardisierungsmuster sozioökonomischen, politischen oder
kulturellen Systemen zuzuordnen.

UWE MÜLLER (Europa-Universität Viadrina) betrachtete in seinem Vortrag
die Standardisierung im Straßen- und Straßenfahrzeugbau im 18. und 19.
Jahrhundert. Für den Chausseebau der Zeit um 1800 nannte Müller das
Beispiel standardisierter Straßenbreiten, womit das Ziel verfolgt wurde,
eine Abnutzung der Straßen am Straßenrand zu erreichen, damit die
Funktion der wasserableitenden Wölbung in der Straßenmitte lange
erhalten blieb. Normierte breite Radfelgen sollten den auf die Straße
einwirkenden Druck senken. Hinsichtlich des Fahrzeugsbaus konstatierte
der Referent zunehmende Standardisierungen insbesondere seit den 1820er
Jahren, die er unter anderem auf die Einführung der Eil- und
Schnellposten und die damit verbundenen technischen Innovationen
zurückführte.

ERICH WEBER (Solothurn) setzte sich mit der Standardisierung der Technik
und der Organisation der Rheinschifffahrt im ausgehenden 18. und frühen
19. Jahrhundert auseinander. Anhand zahlreicher Beispiele illustrierte
er sowohl die bestehenden Hindernisse der Rheinschifffahrt als auch das
daraus abgeleitete Standardisierungspotential. Den entscheidenden
Einfluss auf die technische und organisatorische Standardisierung der
Rheinschifffahrt sah Weber im Einfluss der Zünfte durch ihr Monopol über
einzelne Rheinabschnitte. Unterschiedliche Zollsysteme und
unkoordinierte Linienpläne wirkten im Verbund mit Stapel- und
Umschlagsrechten standardisierungshemmend. Hinzu kamen die dem
natürlichen Einfluss geschuldeten Herausforderungen von Niedrig- und
Hochwasser. Hinsichtlich der Bauarten der Schiffe konstatierte er einen
von den Niederlanden ausgehenden Standardisierungsprozess. Unter
Beibehaltung charakteristischer Spezifikationen von Heck und Bug,
variierte lediglich die Größe der Schiffe, die Richtung Oberrhein
tendenziell abnahm.

CORNELIUS NEUTSCH (Universität Siegen) grenzte in seinem Vortrag über
die Standardisierung bei der Post im 19. Jahrhundert zwei Phasen
voneinander ab. Dabei fragte er jeweils nach den Ursachen und Zielen von
Standardisierungen, deren Arten (tarifäre, betriebliche, administrative
und technische Standards) und schließlich den Wegen zu deren Umsetzung.
In der auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts beschränkten ersten
Phase spielten sich Standardisierungen auf nationaler bzw.
einzelstaatlicher Ebene ab, was er am Beispiel Preußens aufzeigte. Mit
der Gründung des Deutsch-Österreichischen Postvereins 1850 begann die
zweite Phase, in der Standardisierungen auf zwischenstaatlicher Ebene
vereinbart wurden, um den grenzüberschreitenden Postverkehr zu
vereinheitlichen. In der Folge passten sich auch die innerstaatlichen
Regelungen an die Standards des Deutsch-Österreichischen Postvereins an.
Abschließend verglich Neutsch die Standards des Deutsch-Österreichischen
Postvereins mit denen des Weltpostvereins und konstatierte eine Reihe
von Parallelen.

Vor dem aktuellen Hintergrund von Bestrebungen zur Harmonisierung der
Bahn(strom)systeme, skizzierte MICHAEL HASCHER (München) die
Standardisierung und Bahnelektrisierung in Europa in den 1950er Jahren.
Die von ihm in den Fokus genommene Kontroverse entzündete sich an der
Festlegung der Frequenz. Während Frankreich ein System mit 50 Hz
propagierte, vertrat Deutschland ein System auf 16 2/3 Hz Basis, das
sich in Mitteleuropa etabliert hatte. Alle Bemühungen um einen
gemeinsamen Standard scheiterten letztlich. Auch der Vorschlag der Union
internationale des chemins de fer (UIC), dem französischen Vorbild zu
folgen, konnte sich nicht durchsetzen. Hascher erklärte das Scheitern
eines gemeinsamen Standards mit dem Konzept der Pfadabhängigkeit. Obwohl
die frühzeitige Festlegung auf 16 2/3 Hz in Deutschland auf Überlegungen
basierte, die durch technischen Fortschritt längst als überholt galten,
wurde an dem System festgehalten.

ALEXANDER KLOSE (Universität Weimar) widmete sich dem Entstehen des
Containersystems. Ausgehend von den USA, markierte das Jahr 1966 den
Beginn der Containerschifffahrt in Bremen und Hamburg. Die schnelle
Rezeption des Containersystems durch europäische Reedereien stieß eine
Reihe von Standardisierungen an der Schnittstelle von Wasser und Land,
z.B. von Hafenanlagen (Kräne, Parkplätze), an. Als Beispiel einer
oftmals unkoordinierten Abstimmung zwischen dem Land- und Seeverkehr,
nannte Klose die mangelnde Kompatibilität zwischen der Europalette und
dem ISO-Container. Trotzdem gelang die Transformation zur globalen
Transportkette.

GISELA HÜRLIMANN (Universität Zürich) zeichnete detailliert den
Entwicklungsprozess der automatischen Zugsicherung nach: Sie beschrieb
den "steinigen Weg" hin zum "European Train Control System" (ETCS)
zwischen 1958 und 2008. Dabei wurde deutlich, dass dieser Prozess einer
technischen Standardisierung nicht gleichmäßig verlief und auch das
Scheitern eingeschlagener Entwicklungen beinhaltete. Mit der
"Linienförmigen Zugbeeinflussung" und der "Punktförmigen
Zugbeeinflussung" standen sich zwei verschiedene Systeme gegenüber.
Letztlich wurde mit dem ETCS 1991 ein soziotechnischer Kompromiss
gefunden, der nach dem Baukastensystem die Auf- und
Abwärtskompatibilität garantierte. Unter Rückgriff auf das Konzept der
Pfadabhängigkeit, kennzeichnete sie das ETCS als Wiedergänger des in den
1970er Jahren diskutierten integrierten UIC-Systems und stellte fest,
dass die Wettbewerbslogik die Interoperabiltät favorisiert habe.

CHRISTIAN HENRICH-FRANKE (Universität Siegen) wendete sich in seinem
Vortrag der Implementierung technischer Standards zu. Am Beispiel der
1955 gegründeten Europäischen Gesellschaft zur Finanzierung von
rollendem Eisenbahnmaterial (Eurofima), einem Gemeinschaftsunternehmen
der europäischen Eisenbahngesellschaften, zeigte er die Möglichkeiten
und Grenzen technischer Standardisierung jenseits nationalstaatlicher
Durchsetzungskompetenzen auf. Der Idee nach sollte die Eurofima
gemeinsam Investitionskapital beschaffen, nationale Aufträge an die
Eisenbahnindustrie bündeln und so die Standardisierung der europäischen
Eisenbahnen beschleunigen, um deren Betrieb zu rationalisieren. Dieser
Idee konnte die Eurofima aber nur bedingt gerecht werden, was mit
hinderlichen nationalen Rahmenbedingungen erklärt wurde. Die an der
Gründung und Tätigkeit der Eurofima beteiligten Akteure bevorzugten
nationale Strategien zur Rationalisierung der Eisenbahnen, deren
Auswirkungen auf die nationale Wirtschaft auch durch nationale Maßnahmen
begegnet werden konnte. Franke hob darauf ab, dass die Vorstellung nicht
in den Köpfen verankert zu sein schien, nationale Probleme effektiver
durch europäische Standardisierung lösen zu können. Am Ende bilanzierte
Henrich-Franke, dass Standardisierungen bei weitem keine
technisch-ökonomisch rationalen Vorgänge seien, wie es manch
theoretischer Ansatz zur Standardisierung gerne suggeriere.

Mit der Rationalisierung durch Standardisierung bei der Reichsbahn in
der Zwischenkriegszeit setzte sich JAN-HENRIK PETERS (Berlin)
auseinander, wobei er drei Untersuchungsfelder aufspannte. Die
Ausgangssituation nach dem Ersten Weltkrieg wurde dabei maßgeblich durch
die Netzverkleinerung, den Rückstand in der Gleisinstandhaltung sowie
den hohen Reparationslasten und Personalkosten bestimmt. Im Rahmen der
betrieblichen Neuorganisation konzentrierte sich die Reichsbahn
vornehmlich auf die Implementierung eines Kostenrechnungssystems. Das
Ziel bestand in einer standardisierten Massendatenverarbeitung, die es
erforderlich machte, sich wiederholende Tätigkeiten zu beschreiben und
in ihrer Dauer zeitlich zu erfassen, sodass letztlich 90 % der Kosten
direkt einzelnen Tätigkeiten zugerechnet werden konnten. Im Betriebs-
und Verkehrsdienst ermöglichte die Einführung der Güterzugsbremse ein
schnelleres Fahren und einen geringeren Personalbedarf bei sonst
konstanten Bedingungen. Schließlich wurde mit der Standardisierung im
Ausbesserungs- und Wartungssektor, durch die Festlegung von Passungen
und Toleranzen, die Austauschbarkeit von Teilen sichergestellt.
Schwierig gestaltete sich hingegen die Standardisierung neuer Baureihen
nach dem Baukastensystem, die sich nicht überzeugend durchsetzen konnte.
Auffallend war, dass die Rationalisierungsmaßnahmen die Lebensdauer der
Bahnen verlängerten, eine vermehrte Investition in neue Züge jedoch
unterblieb. Abschließend stellte Peters fest, dass die
Standardisierungen Investitionen verzögerten und dadurch in
langfristiger Perspektive einer Rationalisierung im Wege standen.

CHRISTOPHER KOPPER (Universität Bielefeld) konstatierte in seinem
Beitrag über die Automatisierung und Rationalisierung bei der Deutschen
Bundesbahn, dass erforderliche Rationalisierungsmaßnahmen
organisatorischer und technischer Art aufgrund der institutionellen
Ausgestaltung der Deutschen Bundesbahn verzögert oder gar verhindert
wurden. Die Tatsache, dass sich stets jene Kräfte durchsetzten, die auf
bestehenden Strukturen beharrten, führte er auf asymmetrische
Informationsverteilungen zurück. Das Festhalten an Widerspruchsrechten
der Länder durch leitende Beamte auf Direktionsebene identifizierte er
als politisch-institutionelles Hemmnis für Rationalisierungen. Seine
These untermauerte Kopper mit der gescheiterten Zusammenlegung von
Direktionsbezirken oder ausbleibenden Schließungen bzw. Verkäufen
unrentabler Werkstätten.

Eine neue Perspektive bot JÖRG POTTHAST (Berlin) durch seinen Zugang zur
Thematik Standardisierung und Netzwerkeffekte in Großflughäfen an.
Ausgehend von der Fragestellung, wie der ständig wachsende Flugverkehr
erklärt werden könne, definierte er vor dem Hintergrund der Umstellung
auf das Betriebsverfahren Hub-and-spoke durch die Fluggesellschaften,
drei relevante Schnittstellen: Luft/Luft, Luft/Land und Land/Land. Im
Mittelpunkt seines Vortrags stand die Standardisierung der
Gepäcksysteme. Dabei verglich er mit dem Flughafen Charles de Gaulle und
dem Flughafen Heathrow zwei unterschiedliche Typen von Flughäfen.
Besonderes herausgestellt wurde das Verhältnis von Netzwerken und
Territorialität, wobei er feststellte, dass letztlich die Veränderung
der terrestrischen Infrastruktur das Wachstum hervorgebracht habe.

STEFAN ALBRECHT (Universität Mainz) thematisierte in seinem Vortrag über
die "Luftfahrt zwischen International Civil Aviation Organization-
(ICAO) und Sowjetstandards am Beispiel der Tschechoslowakei" die
politisch gewollte Konkurrenz von Standards im Kontext des
Ost-West-Konflikts. Bemühungen der Tschechoslowakei, sich den Standards
der ICAO anzuschließen, wurden von der Sowjetunion systematisch
untergraben. Letztere wollte, auch aufgrund militärpolitischer
Überlegungen z.B. im Bereich der Navigationstechnik, vielmehr eigene
Standards implementieren, hinkte den in der ICAO vereinbarten
Standardisierungen jedoch zeitlich hinterher. Obwohl die von der
Sowjetunion entwickelten Geräte z.B. hinsichtlich der verwendeten
Frequenzen nicht mit denen der ICAO kompatibel waren, benutzte sie
insgeheim doch die Standards der ICAO. Für die im Spannungsfeld zwischen
der ICAO und der Sowjetunion positionierte Tschechoslowakei, hatte dies
zur Folge, dass sie unpraktische, da unkoordinierte Systeme beibehalten
musste.

GUIDO THIEMEYER (Universität Siegen) behandelte in seinem Beitrag über
die transnationale Integration der Binnenschifffahrt am Beispiel der
"Arbeitsgemeinschaft für die Rheinschifffahrt" den Prozess einer
tarifären Standardisierung. Diese wurde 1953 zunächst mit dem Ziel
gegründet, ein Preiskartell für bestimmte Güter auf bestimmten Strecken
des Rheinverkehrs zu errichten. Der tarifäre Standardisierungsvorgang
begann auf der Ebene der Reedereien und ihrer Verbände und setzte sich
auf der intergouvernementalen Ebene fort. Als man sich auch dort aus
übergeordneten politischen Gründen nicht einigen konnte, wurde das
Problem wieder auf die Ebene der Verbände zurückverwiesen, denen man
hinsichtlich der Lösung völlig freie Hand gab. Das Ergebnis war eine
tarifäre Standardisierung, die, so Thiemeyer, den Interessen der
Reedereien im besonderen Maße entsprach.

Der stellvertretende Vorsitzende des Arbeitskreises Verkehrsgeschichte,
HANS-ULRICH SCHIEDT (Universität Bern, Via Storia) stellte in seiner
zusammenfassenden Beurteilung fest, dass unter den Teilnehmern Einigkeit
darüber herrsche, dass die Herausforderung in einer präziseren Erfassung
der Begriffe Standard und Standardisierung bestehe, wobei das
gegenwärtige Fehlen einer ausgeprägten Terminologie auch der relativen
Neuheit der (historischen) Standardisierungsforschung geschuldet sei. Im
Rahmen weiterer Forschungen sollte es möglich sein, eine detailliertere
Begrifflichkeit auszuarbeiten, auch das Verhältnis von Standardisierung
und Rationalisierung sollte genauer analysiert werden. Abschließend
dankte Herr Schiedt den Vertretern der Deutschen Bahn AG, Susanne Kill
und Rainer Mertens, für die Unterstützung der Tagung und die herzliche
Aufnahme im DB Museum Nürnberg.

Als Fazit der Tagung konnte festgehalten werden, dass die einzelnen
Beiträge oft gescheiterte Standardisierungsprozesse thematisierten, die
Netzwerkeffekte nur bedingt ermöglichten und dadurch zu so etwas wie
einer "nationalen Verkehrskultur" in Europa beitrugen. Dabei fiel auf,
dass das Scheitern oft auf eine Spannung zwischen unterschiedlichen
Zielen der Standardisierung zurückgeführt werden konnte. Die
technisch-ökonomische Rationalität, die einen in diesem Sinne "optimalen
Standard" präferiert, harmonierte oftmals nicht mit nationalen Zielen
der Standardisierung. So sollte z.B. häufig mit der Wahl eines Standards
die nationale Industrie vor ausländischer Konkurrenz geschützt werden,
ungeachtet der Tatsache, dass es sich dabei unter Umständen nicht um
eine technisch effiziente Lösung handelte. Besonders deutlich konnte der
Zusammenhang zwischen Standardisierungen und Netzwerkeffekten am
Beispiel der Post im 19. Jahrhundert nachvollzogen werden. Mit der
Übernahme von Standards des Deutsch-Österreichischen Postvereins durch
den Weltpostverein vergrößerten sich gleichzeitig die positiven
Netzwerkeffekte. Aufgrund von Netzwerkeffekten konnten sich, wie das
Beispiel der ICAO- und Sowjetstandards gezeigt hat, sogar politisch
ungewollte Standards durchsetzen. Dies kann dann der Fall sein, wenn die
mit der Nichtannahme eines ungewünschten Standards verbundenen Kosten,
im Sinne entgangener positiver Netzwerkeffekte, größer sind als der
entsprechende Nutzen des gewünschten Standards. Es dürfte jedoch
schwierig sein, Kosten und Nutzen empirisch zu quantifizieren.

Die Tagung zeigte eine Reihe von Forschungsdesideraten auf und führte zu
der Feststellung, dass Standardisierung und Netzwerkeffekte ein
zukunftsträchtiges Thema darstellen, wobei eine Vernetzung der laufenden
Forschungsarbeiten zu wünschen ist. Auffällig war, dass man häufig eine
technische, ökonomische und politische Ebene der Standardisierung
abgrenzen konnte, die in Bezug auf den Verlauf eines
Standardisierungsprozesses in unterschiedliche Richtungen wirken
konnten. Deutlich geworden ist zudem, dass Standardisierungen in einem
internationalen Rahmen tendenziell größere Probleme hervorriefen als in
einem nationalen Rahmen. Nationale Standardisierungen konnten den Weg zu
einer internationalen Standardisierung sowohl ebnen als auch blockieren.
Für eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit dem Thema
Standardisierung und Netzwerkeffekte wird es jedoch unumgänglich sein,
eine präzisere Fassung der Begriffe Standard, Standardisierung und
Netzwerkeffekte und deren Beziehungen herauszuarbeiten.