Mühlen links und rechts des Rheins
Mühlenverband Rhein-Erft-Rur e.V., Bergisch Gladbach, 23. September 2006
Bericht von: Paul Demel, Minden / Westf.
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Dem Symposium zur Mühlengeschichte im Landschaftskorridor Erft-Rhein-Strunde im März d. J. (siehe: Der Mühlstein, Heft3/2006, Seite 59) folgte nun am 23. September 2006 das zweite Symposium mit dem Schwerpunkt: Wasserkraft-Nutzung. Als Veranstaltungsort wurde das Rheinische Industriemuseum, Schauplatz Bergisch Gladbach des Landschaftsverbandes Rheinland, bekannt als „Papiermühle Alte Dombach“ ausgewählt. Es ist ein besonderer Ort der Papiermacher-Zunft. Der Ursprung liegt hier in der 1582 konzessionierten Papiermühle: Schnabelsmühle, die gleichzeitig als Grundstein für die weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Papierfabrik Zanders gilt, und die heute zum finnischen Papierkonzern „m-real“ gehört. Gohrsmühle – die zweite Papiermühle im Ort und seit dem 19. Jahrhundert ebenfalls zur Firma Zanders gehörend - ist als Markenname für besondere Papiere erhalten geblieben.
Rechtzeitig vor dieser Veranstaltung konnte der Tagungsband über das erste Symposium herausgebracht werden. Dieses Medium beinhaltet neben dem Vorwort von Herrn Werner Stump, Landrat des Rhein-Erft-Kreises und Vorsitzender des Mühlenverbandes Rhein-Erft-Rur e.V. in Bergheim, die seiner Zeit gehaltenen weiteren 3 Grußworte.
Herr Dr. Molitor ging insbesondere auf das Strukturprogramm der Region Köln/Bonn und auf das sich daraus entwickelnde Kultur-Landschaftsnetzwerk ein. Herr Kohlmann, Baudezernent im Rhein-Erftkreis bezog sich in seinem Grußwort auf die historische Entwicklung dieser Region und auf die angedachten Projektideen im Rahmen der Regionale2010. Herr Prof. Dietrich Lohrmann von der RWTH Aachen verwies in seinem Grußwort auf den französischen Sozialhistoriker Marc Bloch. Dieser hat 1935 in seiner berühmten Arbeit unter dem Thema „Aufstieg und Triumpf der Wassermühlen“ seit ihrer Erfindung etwa im 1. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung wesentlich dazu beigetragen, das Thema Mühlen auch in Universitätskreisen salonfähig zu machen. So ist nun mal die Mühlenforschung und die Energiegeschichte bis in unsere heutige Zeit hochaktuell. Herr Prof. Lohrmann verwies zum Schluss seiner Grußworte auf die tägliche Energie, die uns die Sonne regelmäßig zur Verfügung stellt. Die Beiträge der Referenten sind sehr ausführlich wiedergegeben, sodass der Leser dieses Tagungsbandes einen umfassenden Überblick über die erste Veranstaltung mit diesem hohen Niveau bekommt. Und dies sollte auch die Grundlage für das nun veranstaltete zweite Symposium sein.
Herr Dr. Jürgen Wilhelm als Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland und damit Hausherr des Rheinischen Industriemuseums, zu dem die „Papiermühle Alte Dombach“ gehört, eröffnete das Symposium. In seiner Begrüßung hob Herr Dr. Wilhelm die Bedeutung des Wassers und der Wasserkraftnutzung für den sehr großen und vielfältigen Raum, auf den sich die Regionale2010 bezieht, hervor (Kreise Rhein-Erft, Rhein-Berg, Rhein-Sieg und Oberberg, sowie die Städte Leverkusen, Köln und Bonn). Das Bergische Land ist ein besonders regen- und deshalb wasserreiches Gebiet, in dem die Mühlen als Antrieb für die verschiedenen Handwerke – nicht nur zum Getreide vermahlen – eine wichtige, wenn auch unterschiedliche Rolle spielten.
Grußworte richteten die Landräte Rolf Menzel (Rhein-Berg) und Werner Stump (Rhein-Erft) sowie Dr. Reimar Molitor von der Regionale2010 Agentur. In seinem Grußwort ging der Präsident von der Deutschen Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung e.V. (DGM), Herr Erhard Jahn auf den Erhalt unseres wertvollen kulturgeschichtlichen Erbes ein. Er machte auch auf das allmählich verloren gehende große Fachwissen aufmerksam, weil z. B. in Mittel- und Norddeutschland in den letzten Jahrzehnten viele historische Wind- und Wassermühlen nicht mehr im Besitz der Müllerfamilien geblieben sind. Und nur noch 6 % der ursprünglichen Mühlen haben noch eine Gewerbegenehmigung, die heute noch von Müllern betrieben werden. In Süddeutschland sehe es noch etwas günstiger aus. Es gibt dort noch mehr gewerblich arbeitende historische Mühlen, die überwiegend die Wasserkraft nutzen. Auf Grund der völligen Veränderungen der Besitzverhältnisse, der Nutzungssituationen und des Wegbrechens des wirtschaftlichen Umfeldes verwies Herr Jahn auf die Notwendigkeit der Mühlenforschung und Mühlenerhaltung. Dies müsse aus der Anonymität der Berufsgruppe herausgehoben und zu einem öffentlichen Anliegen werden. Im Hinblick auf die Wasserkraftnutzung machte er deutlich, dass der Mensch, so lange er auch auf diesem blauen Planeten, unserer Erde, lebt, die Naturlandschaft kontinuierlich zu einer Kulturlandschaft umgebaut hat und es ein zurück zur Natur nach den Vorstellungen einiger Naturschützer nicht geben kann und wird. Denkmalschutz und Naturschutz dürfen sich nicht bekämpfen. Sie müssen sich ergänzen. Abschließend sagte er in seiner Begrüßung, dass wir angetreten sind, das kulturgeschichtliche Erbe unserer Vorfahren zu übernehmen, es zu pflegen, zu schützen und an unsere Nachkommen weiter zu geben. Er machte aber auch noch auf eine andere Erkenntnis aufmerksam: Das besonders in unserem Land umstrittene Thema der Durchgängigkeit der Bäche und Flüsse. Die Aussagen, dass Querbauwerke in Verbindung mit Wasserrädern und Turbinen für den Tod vieler Fische verantwortlich sind, sei völlig haltlos und längst durch die Tatsache widerlegt, dass zur Blütezeit der Wassermühlen im 19. Jahrhundert die Mühlbäche und Flüsse besonders in der Nähe von Stauwehren ungewöhnlich fischreich waren und das große Fischsterben erst infolge der vielfältigen Verunreinigungen der Fließgewässer durch Haushalte und Industrie einsetzte. Mit seinem Hinweis auf die immer noch unterrepräsentierte Mühlenforschung leitete er auf die dann folgenden Symposiums-Beiträge über.
Nach dem von Herrn Stefan Prott (Landesinitiative Zukunftsenergien NRW) gehaltenen Vortrag über den aktuellen Stand des Landeswassergesetzes (LWG-NRW) und über die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmen-Richtlinie (EU WRRL) gab es einen nahtlosen Übergang zum weiteren und wichtigen Thema über Wasserkraftanlagen, Denkmalschutz und Denkmalpflege. Hier zeigte Herr Christian Hoebel vom Westfälischen Amt für Denkmalpflege im Landschaftsverband Westfalen Lippe zu Münster anhand zahlreicher Bilder die Möglichkeiten zur sinnvollen Denkmalpflege in Verbindung mit einer optimalen Wasserkraftnutzung auf. Hierbei beschränkte er sich nicht nur auf reine Mühlenstandorte, die besonders in Westfalen, aber auch in anderen Bundesländern noch reichlich vorhanden sind.
Diesem Vortrag folgte ein weiterer hoch interessanter Beitrag von Herrn Dr. Walter Buschmann vom Rheinischen Amt für Denkmalpflege im Landschaftsverband Rheinland in Brauweiler (bei Köln). Eindrucksvoll referierte er über die geschichtliche Entwicklung sogenannter Industriemühlen, auch unter dem sozialgeschichtlichen Aspekt. Es handelt sich hier um die Gewerke unterschiedlicher Zünfte und Handwerke. Es sind Papiermühlen, Pulvermühlen, Hämmer und Schmiede, Loh- und Walkmühlen, Kugelmühlen, sowie Ölmühlen mit Kollergängen und Bokemühlen zum Flachsbrechen oder zum Zerstampfen/Zerkleinern von festen Naturalien. So gibt es z.B. noch ein oder zwei große Hämmer, die regelmäßig, vor allem im Sommer mittels Wasserkraft zu Vorführungszwecken in Betrieb genommen werden. Und genau diese Mühlentypen waren in der Bergischen Region überall auffindbar, im Gegensatz zum linksrheinischen Gebiet, wo die Landwirtschaft dominierte und noch heute sehr intensiv betrieben wird. Die kleinen einheimischen Wassermühlen wurden in Anbetracht der technischen Entwicklung zum Ende des 19. Jahrhunderts durch die entstandenen Großmühlen abgelöst. Parallel hierzu schafften sich die Landwirte selbst kleine Mahlmühlen an und sparten so kostbare Zeit, die sie für andere Arbeiten gut gebrauchen konnten.
Nach diesem Beitrag folgte schließlich das sehr aktuelle und auch interessante Thema: „Wasserkraftnutzung in der Vergangenheit und Gegenwart“. Hierfür konnte kein besserer Referent als Herr Prof. Dr. Ing. Jürgen Jensen von der Universität Siegen, Forschungsinstitut Wasser und Umwelt gewonnen werden. Er vermittelte sehr eindrucksvoll, dass Wasserkraft Strömungsenergie von fließendem Wasser ist, die über geeignete Maschinen in mechanische bzw. elektrische Energie umgesetzt wird.
Wasserkraft ist aber auch Sonnenenergie. Durch die Wirkung der Sonne verdunstet Wasser an der Oberfläche von Gewässern und gelangt als Wolken zu geografisch höher gelegenen Gebieten. Der oberflächlich in Flüssen abfließende Teil des Niederschlags kann durch Anordnung von Wasserkraftanlagen in Staustufen oder Talsperren energiewirtschaftlich genutzt werden.
Herr Prof. Jensen präsentierte die Entwicklung aus der Vergangenheit.
5. Jht. v. Chr. Erste Schöpfräder in Mesopotamien
3. Jht. v. Chr. Erste Räder zum Mahlen von Getreide in China und Asien
3. Jhd. v.Chr. Entwicklung der Archimedischen Schraube;
20 v. Chr. Unterschlächtiger Mühlenantrieb nach Vitruv ( Marcus Vitruvius Pollio)
6. Jhd. n. Chr. Schiffmühlen als Folge der Belagerung Roms durch die Westgoten
9. Jhd. Erste Mühlenbauten in Mitteleuropa
16. Jhd. gegenläufige Wasserräder zum Auspumpen von Stollen im Bergbau
Vorentwicklung der Turbinen durch sogenannte Löffelräder.
Eine weiterer Meilenstein war der 1772 entwickelte Hydraulische Widder. Diesen benutzt man heute gerne bei Anwesen in abgelegenen Gegenden, die weder an die öffentliche Wasserversorgung noch an das öffentliche Stromnetz angeschlossen sind oder aus anderen Gründen nur zeitweilig genutzt werden. Die entscheidende Entwicklung war jedoch ab 1825 festzustellen: Die Erste Turbine! Die Fourneyron-Turbine um 1842 herum war der brauchbare Vorläufer der Francis-Turbine. Und durch die Optimierung der Schaufeln stiegen die Leistungen bis 1903 sprunghaft in die Höhe.
Sind in den 80er Jahren ca. 50.000 Kleinwasserkraftanlagen wegen der Konkurrenz fossiler Energieträger stillgelegt worden, so begann ab etwa 1990 eine Trendwende bei diesen Anlagen durch Förderprogramme und bessere Vergütungen für die erzeugte Energie.
Heute zählt die Wasserkraft zu den bedeutendsten regenerativen Energiequellen! Prof. Jensen stufte die Länder Norwegen, Brasilien und Österreich zu den Weltmeistern in Sachen Stromgewinnung aus Wasserkraft ein. Bei uns beträgt der Anteil an der Gesamtstromerzeugung bis 2004 ca. 5 %. Der Anteil der Wasserkraft an der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien betrug im gleichen Jahr etwa 40 %. Das technisch nutzbare Wasserkraftpotenzial lag 2004 im gesamten Bundesgebiet bei ca. 25.480 GWh. Genutzt wurden jedoch nur 18.707GWh, das sind 73.4 %.
In seinem hochaktuellen Beitrag ging Herr Prof. Jansen schließlich auf die unterschiedlichen Turbinentypen und auch auf die verschiedenen Wasserradversionen ein. Er verwies aber auch auf die neuen technischen Entwicklungen, wie die Wasserkraftmaschinen-Innovation „KataMax“, eine Kombination aus altbekannter und dauerhaft bewährter Fördertechnik und hocheffizienter Antriebs- und Wandlungstechnologie. Eine weitere und sogar gute Innovation sei die Wasserkraft-Schnecke (Prinzip der Archimedischen Schraube, die vor mehr als 2000 Jahren als Wasserförderschnecke eingesetzt wurde), die ohne weiteres anstelle einer sanierungsbedürftigen Turbine zum Einsatz kommen kann. Die patentierte Anwendung dieser Schnecke, aus ihr durch energetische Umkehrung ihrer Arbeitsweise eine Kraftmaschine zur Energiegewinnung zu machen, ist neu. Eine derartige Wasserkraftschnecke (Durchmesser ca. 2,5 m) wurde z. B. im Wasserkraftwerk Krechting von den Stadtwerken Rhede im Herbst dieses Jahres in Betrieb genommen. Die Stromproduktion beträgt 325 Megawatt-Stunden im Jahr mit einer Verringerung um ca. 300 to CO2. Schließlich beleuchtete Herr Prof. Jensen die Vorteile und Nachteile der Wasserkraftnutzung. Der wesentlichste Vorteil ist somit der ausbleibende Schadstoffausstoß. Die Minderung von CO2 pro 1 kWh Strom beträgt durchschnittlich 0,57 kg. Außerdem gibt es keine Gewässerverunreinigung. Der positive Aspekt hierbei ist die Anreicherung im Unterwasser mit Sauerstoff, von dem die Fische profitieren.
Die Versorgung mit Energie sei langfristig nur dann zukunftsfähig, wenn sie überwiegend auf erneuerbaren Energien beruht. Dabei sei die Wasserkraftnutzung eine sehr alte Technik, die mit verschiedenen Arten von Wasserkraftmaschinen als äußerst ausgereift zu bezeichnen ist. So liefert das alte, bewährte Prinzip Wasserrad im Idealfall einen Gesamtwirkungsgrad von bis zu 90 %. Trotzdem gäbe es auch hier noch innovative Lösungen, die weiterentwickelt werden sollten. Um auch die Energieversorgung langfristig auf erneuerbare Energien umzustellen, erfordere dies auch den Ausbau aller Wasserkraftpotenziale, die in ökologisch zumutbarer Weise erschließbar wären. Prof. Jensen beendete seinen Beitrag mit folgendem Hinweis: Die Nutzung erneuerbarer Energien durch weiteren Ausbau erfordere jedoch die Abwägung einander widersprechender Zielsetzungen:
- einerseits die erneuerbaren Energien zur Ablösung der umweltzerstörenden Nutzung konventioneller Energieträger auszubauen,
- andererseits Natur und Umwelt durch diesen Ausbau nicht zu beeinträchtigen.
Frau Gabriele Scholz, Geschäftsführerin des Mühlenverbandes Rhein-Erft-Rur e.V. in Bergheim informierte über die Leitlinien eines Dokumentationszentrums zur rheinischen Mühlenkunde im Großraum Köln. Hier können zwei Standorte sehr vorteilhaft sein, jeweils einer rechts und einer links des Rheins. Dies wäre eine sinnvolle, aber auch optimale Lösung unter Hinzuziehung der Beiträge der Herren Chr. Hoebel und W. Buschmann.
Nach der Mittagspause hatten die Teilnehmer Gelegenheit die Alte Dombach zu besichtigen. Frau Dr. Sabine Schachtner, die Chefin dieses hochinteressanten Industriemuseums, führte durch die Räumlichkeiten mit den sehr klar strukturierten Ausstellungen und Exponaten über die alten und jetzigen Papiertechniken, vom Lumpen stampfen bis zur heutigen Papierproduktion. Anhand einer Laborpapier-Produktions-Anlage erklärte Frau Schachtner auch den heutigen industriellen Herstellungsprozess des vielseitig verwendeten Werkstoffs Papier, der zu einem großen Teil aus Altpapier, aber auch aus jungfräulichen, zu Zellstoff verarbeiteten Holzfasern produziert wird. Das Spektrum der aus Papier hergestellten Produkte reicht vom Schulheft über Printmedien sowie Hygieneartikel bis hin zur Verpackung, ohne die die Warendistribution bis zum Endverbraucher nicht denkbar wäre.
Das Resümee dieser Veranstaltung war eindeutig die Erkenntnis, dass in Bezug auf Durchführbarkeit und Nutzbarkeit der Wasserkraft stets von topographischen Besonderheiten auszugehen ist. Jedoch machen der hohe bürokratische Aufwand und eine hindernde Gesetzgebung sowie mangelnde Subventionierung die Sache problematisch. Zum Schluss erhoffte sich Paul Demel als Moderator dieser Veranstaltung für die Zukunft eine bessere Ausnutzung der Wasserkraft und prophezeite, dass die Energiegewinnung aus Wasser in unserem Land wieder richtig interessant werden könne und auch muss! Immerhin ist die Energiegewinnung aus fließenden Gewässern im Vergleich mit den anderen regenerativen Energiequellen wie Wind- oder Sonnenenergie die effektivste Art der Stromgewinnung.