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Berufsperspektiven für angehende TechnikhistorikerInnen, München 2003

Protokoll des Workshops

von Heike Weber und Martina Heßler

Über zwanzig Studierende und Promovierende verschiedener Disziplinen fanden sich zu einem von der GTG finanzierten Workshop "Berufsperspektiven für angehende TechnikhistorikerInnen" ein. Insgesamt sechs ReferentInnen stellten ihren eigenen Werdegang und Berufsalltag vor, gaben Tipps für den Berufseinstieg und standen vor allem auch für individuelle Nachfragen der TeilnehmerInnen bereit. Die ReferentInnen vertraten folgende Bereiche:Wissenschaft, selbständig geführte "Geschichtsbüros", freie Wirtschaft, Journalismus, Museum. Schon die verschiedenen Präsentationsstile der ReferentInnen liessen miterleben, was auch in den Vorträgen und Diskussionen immer wieder betont wurde, nämlich wie stark die eigene Persönlichkeit mit der Berufswahl und -ausübung zusammenhängt. "Soft skills" und Eigeninitiative - und möglicherweise aber auch eine Portion Glück - sinddie Zutaten, die für jedes vertretene Berufsfeld zum fachlichen Wissen hinzukommen müssen, um erfolgreich zu sein. Da die ReferentInnen auch offenüber ihre persönlichen Entscheidungen und Erfahrungen berichteten, erhielten die TeilnehmerInnen einen authentischen Einblick in die jeweiligen Berufswege und -alltäglichkeiten.

Martina Hessler (RWTH Aachen, Historisches Institut) und Marion Budde (Volontärin am Deutschen Museum) starteten den Workshop mit einer Übersicht über die Lage des "wissenschaftlichen" und des "musealen" Nachwuchses in Deutschland. Martina Hessler berichtete in ihrem Überblick u.a. über die Veränderungen der wissenschaftlichen Laufbahn durch das neue Hochschulrahmengesetz. Diffizil ist insbesondere, wie die 12 Jahre, auf die das HRG die wissenschaftliche "Qualifikationszeit" hin zur Professur bekanntermaßen beschränkt, "berechnet" werden. Die Jahre der Promotion zählen unabhängig davon, wie der/die Promovierende sich finanziert, wobei als "Beginn" bzw. "Ende" oftmals unterschiedliche Kriterien genommen werden. So zählt mal die Disputation, mal der Erhalt der Promotionsurkunde als Endpunkt, was im Ergebnis zu voneinander abweichenden Zeiträumen führt. Nach der Promotion werden die Zeiten von Post-doc- bzw. Habilitationsstipendien und von Auslandsaufenthalten nicht angerechnet, während jedoch die (angesehenere und arbeitsintensivere) Stelle an der Universität voll "gezählt" wird. Problematisch ist vor allem aber das sogenannte Befristungs- und Teilzeitgesetz, das nach Ablauf der 12 Jahre Qualifikationszeit in Kraft treten soll, um Wissenschaftlern weiterhin eine wissenschaftliche Tätigkeit, beispielsweise auf Drittmittel-Stellen, zu ermöglichen: Denn es zeichnet sich eine abwehrende Haltung von Universitätsverwaltungen ab, die ankündigen, das Befristungs- und Teilzeitgesetz nicht anzuwenden. Damit wäre für WissenschaftlerInnen nach Ablauf der 12 Jahre keine Beschäftigung an einer Universität mehr möglich. Die Einführung der Juniorprofessur zeigt einerseits erste positive Ergebnisse wie z.B. eine Erhöhung des Frauenanteils; andererseits wurden jedoch viele Stellen "hausintern" vergeben oder blieben gar unbesetzt. Die Einschätzungen zum Erfolg des Modells "Juniorprofessur" gehen allerdings auseinander, wie kürzlich an Berichten, beispielsweise von Seiten der Ministerin Bulmahn sowie einer Arbeitsgruppe der Berliner "Jungen Akadamie", zu sehen war. Zur Stellensituation in der Technikgeschichte gibt es bisher keine grundlegende Zusammenstellung, ebenso nicht zu den Berufswegen der Absolventen. Die von Martina Hessler daher beispielhaft aufgezeigten Berufswege von Absolventen zweier Graduiertenkollegs zeigten zumindest, dass Studium und Promotion im Bereich der Technikgeschichte in die vielfältigsten Bereiche führte, wenn auch oft vorerst nur auf zeitlich begrenzte "Parkstellen".

Marion Budde machte in ihrem Beitrag deutlich, wie heterogen die Ausbildung und auch die Bezahlung der VolontärInnen gehandhabt werden. Daher sollte jeder angehende Volontär einen Blick in die als Empfehlung vorgegebenen Grundsätze des zuständigen Kulturausschusses werfen und zudem den Kontakt zum "AK Volontärinnen und Volontäre" des Museumsbunds aufnehmen (hier sind auch Stellenangebote zu finden). Tristes Thema ist insbesondere die schlechte Vergütung; ca. 20% der VolontärInnen erhalten inzwischen - u.a. dank des Engagements des AKs - einen Betrag, der den sonst üblichen Standards für Hochschulabsolventen (BAT IIa 1/2) entspricht. Eine Studie zur Stellensituation und zum Verbleib der VolontärInnen wird derzeit vom Museumsbund erarbeitet. Für Baden-Württemberg liegen Zahlen vor, dass der/die "Durchschnitts-VolontärIn" 32 Jahre alt ist, ein Drittel der dortigen Volontäre sind promoviert.

Anita Kuisle (Büro für Technikgeschichte, München) und Norbert Gilson (Büro für technikhistorische Forschung und Beratung, Aachen) stellten ihre selbständig geführten Geschichtsbüros vor. Sie arbeiten in den Feldern Ausstellung, Denkmalpflege, Industriekultur und Industrietourismus. Ihre Tätigkeiten umfassen die Inventarisierung von technikhistorischen Anlagen, die Erstellung von Gutachten, die Beratung von Kulturprojekten bis hin zur Konzeption ganzer Ausstellungen. Auftraggeber sind zumeist öffentliche Träger, aber auch Firmen, die beispielsweise Firmenschriften verfassen lassen. Zumeist stammen die Auftraggeber aus dem regionalen Umfeld. Sowohl Anita Kuisle als auch Norbert Gilson haben sich für den Ein-Frau-/Mann-Betrieb entschieden, um den wirtschaftlichen Schwankungen weniger stark ausgesetzt zu sein. Die Fähigkeit zur eigenen Arbeitsorganisation und kommunikative Kompetenzen, die das Knüpfen neuer Kontakte ebenso einschließen wie das Präsentsein in der "Szene", wurden von den Referenten als wichtige persönliche Eigenschaften betont. Daneben ist für die Gründung eines Geschichtsbüros unternehmerisches Wissen unabdingbar, das man sich z.B. mit Hilfe eines Existenzgründer-Seminars aneignen kann. Als FreiberuflerIn ist es Gilson und Kuisle wichtig, sich einen "Namen" bzw. eine "unverwechselbare Marke" zu schaffen, indem sie mit ihrem spezifischen Können eine individuelle Nische besetzen. Hierin sahen sie auch den Unterschied zu den "Geschichtsbüros" vieler "Allgemeinhistoriker", die oftmals wesentlich breiter tätig sind. "Think big, work small" kennzeichnete Gilson die Arbeitseinstellung, um ein Projekt effektiv, also mit vertretbarem Arbeitsaufwand, zu verwirklichen: Gute, kreative Ideen sollte man nicht gleich wegschieben, sondern anfänglich entspinnen, aber bei der konkreten Ausführung müsse man auf dem Boden der Realitäten bleiben. Die beiden ReferentInnen betonten als positive Seiten ihres Berufes den abwechslungsreichen Alltag (mehrere, parallel zu erledigende Projekte; Vielfalt an Tätigkeiten wie Verhandeln, Dokumentieren, Forschen...) und das selbstbestimmte Arbeiten, bei dem auch Privates und Berufliches überlappen können; demgegenüber steht die ständige Unklarheit, mit welchem Projekt man sich in einigen Monaten weiterfinanzieren wird. Beide sehen aufgrund der zunehmenden Privatisierung der Kulturgelder ein Wachstumspotential auf ihrem Wirkungsfeld.

Ulrich Marsch, Manager der Public Affairs bei Infineon, vertrat den Bereich der Unternehmenskommunikation. Hier seien nicht die Techniker und ihre Detailkenntnisse gefragt, sondern "Übersetzer" mit "Lust an Technik", denn die Zielgruppe der Öffentlichkeitsarbeit sind hauptsächlich Journalisten und damit Nicht-Techniker. Marsch betonte daher auch die Rolle der "soft skills" für seine Tätigkeit: Zuhören können, die Welt aus den Augen der anderen betrachten können, kommunikative Fähigkeiten, Teamfähigkeit und vor allem auch: Höflichkeit. Selbstverständlich müssen dazu weitere Qualifikationen wie souveräne Kommunikation im Englischen, eine gute Schreibe, Routine im Vortragen und schnelles Einarbeiten in neue Themen treten. Marsch wies auf die hohen Anforderungen der Unternehmen hin. Angesichts der derzeitigen Wirtschaftslage müsse man sich permanent neu beweisen. Von allzu langen "Post-doc"-Aufenthalten in der Wissenschaft riet er denjenigen ab, die eine Tätigkeit in der Wirtschaft anstrebten.

Dass trotz ca. fünfjährigem Post-doc-Dasein ein solcher Einstieg möglich ist, demonstrierte Johannes Abele mit seinem Berufsweg. Er arbeitet inzwischen beim "VDI / VDE-Technologiezentrum Informationstechnik GmbH" und sieht seine vorherige wissenschaftliche Tätigkeit als Art "Bildungshintergrund" für die jetzige Beratertätigkeit an. Abele berichtete über die Arbeitsfelder Wissenspolitik, Wissenschaftsmanagement, Technikfolgenabschätzung und Zukunfts-/ Trendforschung, die Bereiche darstellen, die derzeit zunehmend von privaten Einrichtungen übernommen werden. Insgesamt betonte auch Abele die "soft skills" und soziale Kompetenzen. Wissenschaftliche Beschäftigungsverhältnisse und solche in der freien Wirtschaft kontrastierend, sah Abele vor allem Unterschiede im Arbeitsstil: Während es in der Wissenschaft vorrangig um Inhalte ginge, die man über Jahre hinweg bearbeite, arbeite man in der Wirtschaft eher nach dem Prinzip "quick and dirty" und die überzeugende Präsentation der Arbeitsergebnisse ist ausschlaggebend. Auch Abele empfahl die Eigeninitiative, vor allem das gezielte Suchen von Kontakten im Umfeld möglicher Arbeitgeber, um den passenden Arbeitsplatz in der Wirtschaft zu finden.

Sylvia Hladky, seit über 20 Jahren im Museum tätig und inzwischen Leiterin des Verkehrszentrums am Deutschen Museum, betonte vor allem die Vielfalt der Tätigkeiten und Anforderungen der heutigen Museumsarbeit. Neben die Konzeption und Betreuung einer Ausstellung sind in den vergangenen Jahrzehnten Fundraising und Marketing, Kontaktpflege und Eventmanagement getreten. Weiterhin arbeitet man inzwischen nicht nur mit hausinternen Werkstätten, sondern auch mit Gestaltern und Architekten von außen zusammen, deren Verträge man selbst gestalten muss. All diese Verpflichtungen erfordern ein entsprechendes - und nicht im Fachstudium erworbenes - Know How. Der ursprüngliche Auftrag des "Sammelns, Bewahrens, Forschens und Vermittelns" wird zudem durch gering bemessene Budgets, knapper werdende Depotflächen, fehlende Restaurierungskapazitäten und mangelnde Zeitkapazitäten erschwert. Dennoch betonte Sylvia Hladky die Freiheitsräume, die die Museumsarbeit bei entsprechender Eigeninitiative beinhalten kann, z.B. die Realisierung eigener Projektideen - nicht ohne jedoch zugleich auf die Erfordernis eines hohen Einsatzes und ständiger Überstunden hinzuweisen. Dabei berichtete sie insbesondere auch über den Arbeitsplatz am und die Einstellungsphilosophie beim Deutschen Museum.

Ulf von Rauchhaupt, Redakteur im Ressort Wissenschaft bei der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" und zuvor als Astrophysiker in einem laut Eigenaussage "nicht industriekompatiblen" Feld wissenschaftlich tätig, berichtete abschließend über den Wissenschafts- und Technikjournalismus.Unter den derzeit in Deutschland vorhandenen 70.000 hauptberuflichen Journalisten dürften sich nicht mehr als 1000 Wissenschafts-/Technikjournalisten finden (bei maximal 200 festen Redakteursstellen). Als besondere Qualifikation der HistorikerInnen hob Ulf von Rauchhaupt das im Studium eingeübte ständige Schreiben und den Umgang mit großen Materialmengen hervor. Dafür fehle ihnen jedoch meist die Kenntnis und souveräne Beherrschung eines naturwissenschaftlich-technischen Fachgebietes. Teamfähigkeit, an der es den Geisteswissenschaftlern jedoch oft mangele, Kontaktfreudigkeit, effektives Arbeiten unter Zeitdruck und die Beherrschung des Englischen wurden vom Referenten als unabdingbare "soft skills" genannt. Für den Berufseinstieg gilt es, das "Hauptmann-von-Köpenick-Dilemma" zu überwinden, wie Ulf von Rauchhaupt das Problem bezeichnete, dass der Bewerber journalistische Arbeiten vorweisen muss, ehe er überhaupt die journalistische Ausbildung starten kann. Drei Wege empfahl er: den über eine Journalistenschule (die jeweils nur ca. 30 Personen pro Jahr aufnehmen), über das Aufbaustudium "Wissenschaftsjournalismus" der FU Berlin und schließlich über eine Hospitanz, welche man sich über eine Initiativbewerbung - wiederum mit beigelegten Arbeitsproben - ergattern kann. Von einem Journalistikstudium oder Praktika