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Thomas Alkemeyer
Technisch stimulierte Spiel-Körper. Zur Verbindung von Technik und Körperlichkeit im neuen Wagnissport

Seit einiger Zeit entstehen in modernen Gesellschaften, zum Teil in direkter Konfrontation zum organisierten Wettkampf- und Leistungssport, neue Sportarten bzw. körperbezogene Spiele wie Inlineskating, Biking, Wildwasser-Kajak, Paragliding, Freeclimbing oder auch Bunjee-Jumping, die mit dem Begriff "Sport" kaum mehr bezeichnet werden können. (Wir (G. Gebauer/Th. Alkemeyer/U. Flick/R. Schmidt/M. Stern) untersuchen diese Prozesse zur Zeit im Rahmen des Sonderforschungsbereichs "Kulturen des Performativen" der DFG.) Kennzeichnend für diese neuen Spiele ist u.a., dass die Akteure absichtlich ein hohes Wagnis eingehen. Selbst in vergleichsweise weniger risikofreudigen Sportarten wie Inlineskating wird der Körper aus überkommenen Haltevorrichtungen herausgenommen. Die Spieler riskieren seine Unversehrtheit, sie suchen Situationen der Unsicherheit auf: In Bewegungen des Gleitens, Drehens, Schwebens, Fliegens, Fallens oder der hohen Geschwindigkeit werden erworbene Sicherheiten (der feste Stand, das sichere Gehen, der solide Grund) bewusst suspendiert und körpergewordene Routinen aufs Spiel gesetzt; gerade dies verschafft den Akteuren Spannung und Erregung.

Dies wäre ohne hochtechnische Artefakte des Sporttreibens wie Skates, Snowboards, Carving-Ski, Bikes, Gleitschirme, High-Tech-Seile u.ä. nicht denkbar. Während die Sportgeräte in vielen klassischen Sportarten, z.B. dem Turnen oder der Leichtathletik, vor allem der Disziplinierung, Normierung, Rationalisierung und "Verbesserung" des Körpers und seiner Leistungsfähigkeit dienen, übernehmen sie in den neuen Spielen zusätzlich andere Funktionen: als vielseitig zu nutzende, immer neue "Körpertechniken" (M. Mauss) stimulierende Erweiterungen des Körpers; als Medien zur Intensivierung affektiver Zustände; als Mittel zur Erprobung von Selbstbeherrschung und -kontrolle, oder auch (wie beim Bunjee-Jumping) als Apparate zum Bewirken eines kontrollierten Verlusts von Selbstkontrolle.

Für geübte Spieler sind viele dieser technischen Artefakte affektiv hoch besetzte Objekte, zu denen sie eine innige Beziehung eingehen. Die mit dem Körper verschmolzene Technik hat dann im Grunde gar nicht mehr den Status von Geräten, sondern wird, von Affekten und Emotionen durchdrungen, zu einem Eigenen des Subjekts gemacht und fast als Körperteil empfunden: Die Personalität der Geräte tritt im Spiel an die Stelle vom Menschen unbeherrschbarer, monströser technischer Apparate.