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Die "spielerische" Entwicklung der Raketentechnik durch Phantasten und Enthusiasten

Peter Hempel

Als Hermann Ganswindt 1881 in der Berliner Philharmonie der Öffentlichkeit seine Idee eines durch Dynamitpatronen angetriebenen Weltenfahrzeugs vorstellte, erntete er große Ablehnung. Dabei war sein Konzept gegenüber Jules Vernes Idee, ein Raumschiff durch eine Kanone buchstäblich ins All zu schießen, durchaus fortschrittlich. Später führte Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski neben umfangreichen theoretischen auch praktische Versuche durch, doch fanden seine zahlreichen Publikationen im zaristischen Russland kaum Beachtung. Im Jahre 1921 legte Hermann Oberth in seiner Dissertation "Die Rakete zu den Planetenräumen" sogar die wissenschaftlichen Grundlagen der Raumfahrt dar, ohne dass die Arbeit von der Heidelberger Universität als Doktorarbeit akzeptiert wurde. Schließlich fungierte der Pionier 1928 als wissenschaftlicher Berater für den UFA-Film "Frau im Mond". Zu dessen Premiere war der Start einer zwei Meter langen Flüssigkeitsrakete geplant, konnte jedoch nicht mehr verwirklicht werden. Doch die Aufmerksamkeit der Bevölkerung für Raketenexperimente war damals nicht zwangsläufig von Achtung geprägt. Robert Goddard, der Erbauer der ersten Flüssigkeitsrakete im Jahre 1926, wurde von vielen schlicht für einen verrückten Professor gehalten.

Die aus heutiger Sicht Spielzeugen ähnelnden Raketen, mit denen Wernher von Braun sich ab 1930 beschäftigte, und jene ersten sowjetischen Flüssigkeitsraketen, die ab 1933 unter der Leitung von Sergej Pawlowitsch Koroljow flogen, hatten wenig Ähnlichkeit mit den 40 Jahre später fliegenden Mondraketen der beiden Kontrahenten im Wettlauf zum Mond. Der vielleicht größte Kultursprung in der Menschheitsgeschichte, der Aufbruch Juri Alexejewitsch Gagarins ins All und die Landung Neil Armstrongs und Edwin Aldrins auf dem Erdtrabanten, wäre ohne die "Spielereien" begeisterter Enthusiasten und Phantasten nicht möglich geworden.